Zum Inhalt springen
© Ben-Schonewille/ iStockphoto.com

Ist es Hautkrebs?

Apps taugen eher nicht für die Früherkennung

Das Muttermal oder der Leberfleck sieht auf einmal anders aus – ist das vielleicht Hautkrebs? In dieser Situation versprechen Smartphone-Apps eine schnelle und unkomplizierte Vorab-Beurteilung, ob eine ärztliche Abklärung sinnvoll ist. Es ist aber nicht belegt, dass die Apps gefährliche von harmlosen Hautveränderungen zuverlässig unterscheiden können.

Sonne satt im Sommer – wenn da nur nicht das Hautkrebsrisiko wäre. Denn das steigt durch häufige Sonnenbäder deutlich an. Das gilt im Wesentlichen für alle Arten von Hautkrebs. Dazu gehört unter anderem das bösartige (maligne) Melanom, auch als „schwarzer Hautkrebs“ bekannt. Es ähnelt oft einem Muttermal oder Leberfleck.1 Einige Melanome wachsen nur langsam, andere dagegen breiten sich schnell aus und streuen.

Deutlich häufiger als das Melanom, aber meist weniger gefährlich sind das Plattenepithelkarzinom oder das Basalzellkarzinom, auch „weißer Hautkrebs“ genannt. Weißer Hautkrebs metastasiert seltener als das Melanom. Er kann sich als schuppige, verfärbte oder unebene Hautveränderung bemerkbar machen; und er tritt vorwiegend an Stellen auf, die oft der UV-Strahlung ausgesetzt sind, wie zum Beispiel im Gesicht, am Hals und auf dem Dekolleté. Er ist mitunter schwer von harmlosen Hautveränderungen zu unterscheiden.2

Ziel: Früh erkennen

Als Warnzeichen für Hautkrebs gelten Hautstellen, die sich verändern. Wer mindestens 35 Jahre alt ist, kann auch ohne konkreten Anlass alle zwei Jahre an einem Hautkrebsscreening teilnehmen, das von den Krankenkassen bezahlt wird. Dabei nehmen Arzt oder Ärztin die gesamte Haut in Augenschein. Der Nutzen ist allerdings umstritten, denn es ist nicht belegt, dass durch das Screening weniger Menschen an Hautkrebs sterben. Auch ist nicht ausreichend untersucht, wie häufig Fehlalarme sind. Sie führen dazu, dass unnötig Hautstellen entfernt werden, um sie weiter zu untersuchen.1

Könnten Smartphone-Apps Hautveränderungen richtig einordnen, würden sie möglicherweise unabhängig von einem Hautkrebsscreening helfen, dass Menschen mit verdächtigen Veränderungen rechtzeitig medizinische Untersuchung und Behandlung in Anspruch nehmen. Doch wie gut können Apps erkennen, ob es sich bei Hautveränderungen um Krebs handelt?

Eine Frage des Algorithmus

Damit die Apps funktionieren, benötigt man ein Smartphone mit einer Kamera. Die in die Apps integrierten Algorithmen sind auf der Grundlage einer Bilddatenbank so trainiert, dass sie die fotografierte Hautveränderung in drei Risikoklassen einordnen: geringes, moderates und hohes Risiko.

Wie gut den Apps diese Einordnung gelingt, hängt nicht nur von dem Algorithmus selbst ab, sondern auch von den Daten, mit denen der Algorithmus die Unterscheidung „gelernt“ hat.

Treffergenauigkeit im Vergleich

Die Treffergenauigkeit von solchen Hautkrebs-Apps haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Anfang 2020 erschienenen systematischen Über­sichtsarbeit untersucht.3

Dazu werteten sie neun Studien aus, in denen sechs verschiedene Smart­phone-Apps geprüft worden waren. Dabei wurden nur solche Studien einbezogen, in denen die App-Ergebnisse entweder anschließend mit einer Gewebeuntersuchung verglichen wurden oder mit dem Urteil von Expertinnen und Experten, die sich die Hautstelle angesehen hatten.

Geprüft wurde außerdem, ob die untersuchten Apps noch aus einem App-Store heruntergeladen werden konnten: Das war nur bei einer der Fall. Außerdem fand das Forschungsteam eine weitere App, für deren Genauigkeit aber keine Studien vorlagen.4

Nicht besonders genau

Das Ergebnis der Studien fällt insgesamt ernüchternd aus: Die Apps sind sehr unterschiedlich darin, verdächtige und harmlose Hautstellen auseinander zu halten.

Die verfügbare getestete App konnte in ihrer aktuellsten Programmversion knapp 90 Prozent der präsentierten Melanome erkennen, wenn ihr nur pigmentierte Hautveränderungen vorgelegt wurden. Wenn sie aus allen Hautveränderungen diejenigen auswählen sollten, bei denen das Risiko erhöht war, erkannte sie nur rund 70 Prozent. Jedoch schlug sie auch bei rund 20 bis 40 Prozent falschen Alarm.

Eingeschränkte Aussagekraft

Allerdings waren die Studien nur relativ klein und von eher schlechter Qualität. Hinzu kommt: Keine der Studien untersuchte, wie gut die Apps im Alltagsgebrauch sind. Alle Studien testeten lediglich Fotos von Hautveränderungen, die von medizinischen Fachkräften ausgewählt worden waren. Im Alltag gibt es möglicherweise ein größeres Spektrum an Hautveränderungen, was sich auch auf die Genauigkeit der Algorithmen auswirken kann.

Unter Alltagsbedingungen entstehen mit einer Smartphone-Kamera außerdem Fotos sehr unterschiedlicher Qualität, die die korrekte Beurteilung erschweren können. Außerdem wurde bisher noch gar nicht erforscht, wie die Nutzer mit den präsentierten Ergebnissen umgehen und wie groß das Risiko ist, dass sich Menschen in falscher Sicherheit wiegen.

Schwierige Bewertung

In der Übersichtsarbeit wurde auch eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Bewertung von Apps deutlich: Viele Apps werden im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Und wenn sich dabei der Algorithmus verändert, beeinflusst das auch deren Genauigkeit. Für Nutzerinnen und Nutzer ist das unter Umständen aber gar nicht ohne Weiteres zu durchschauen. Das gilt auch, wenn Apps ihren Produktnamen ändern oder verschiedene Apps unter sehr ähnlichen Bezeichnungen angeboten werden.

Was das CE-Zeichen aussagt

Die beiden derzeit erhältlichen Apps tragen das CE-Zeichen. Das sagt aber nur aus, dass eine technische Prüfung durchgeführt wurde und die Nutzung der App in der EU erlaubt ist. Über die Genauigkeit oder den Nutzen der Apps gibt das CE-Zeichen keine Auskunft.

Fazit

Die Nutzung von Apps zum Hautscreening ist derzeit mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Es besteht ein beträchtliches Risiko, dass sie Hautkrebs übersehen oder falschen Alarm schlagen. Nutzerinnen und Nutzer können sich also nicht unbedingt auf die Einschätzung der Apps verlassen. Und besonders gefährlich ist es dann, wenn die Apps dazu führen, dass Menschen zu spät medizinische Unterstützung suchen.

Deshalb: Wenn ein Leberfleck oder ein Muttermal auf einmal anders aussieht, ist eine hautärztliche Abklärung in der Regel sinnvoll.

Hautkrebs vorbeugen
GPSP 3/2011, S. 6

Weißer Hautkrebs
GPSP 4/2015, S. 14

Fehlalarme bei Screening
GPSP 3/2017, S. 19

Regulierung von Apps
GPSP 5/2019, S. 12

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2020 / S.08