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©J. Schaaber

Hepatitis C: Ende in Sicht?

In diesem Jahr kommen mehrere Arzneimittel gegen die chronische Leberentzündung durch Hepatitis C-Viren (HCV) auf den Markt. Durch die neuen Wirkstoffe und eine geschickte Kombination von Medikamenten könnten künftig fast alle Hepatitis C-Patienten genesen, lassen Studien vermuten. Soweit die gute Pille. Die schlechte: Wichtige Informationen zur Wirksamkeit bei verschiedenen Patientengruppen fehlen. Unklar ist auch, ob die Viren bei allen Patienten auf Dauer verschwunden sind.1,2 Vor allem aber ist die Therapie extrem teuer, kaum bezahlbar in reichen und unbezahlbar in ärmeren Ländern.

Eine Leberentzündung (Hepatitis) kann durch verschiedene Viren ausgelöst werden. Am bekanntesten sind die Viren für Hepatitis A, Hepatitis B und Hepatitis C. Die Viren rufen zunächst eine akute Entzündung hervor, oft wird die Haut gelblich, daher auch der Name „Gelbsucht“.

Gerade die Hepatitis C verläuft aber oft ohne Verfärbung der Haut und mit uncharakteristischen Symptomen, zudem schleichend und kann deshalb lange unbemerkt bleiben. Man ist müde und schlapp, quält sich manchmal mit grippeähnlichen Symptomen und geht vielleicht nicht einmal zum Arzt.

Weltweit sind etwa 170 bis 200 Millionen Menschen betroffen. Es wird geschätzt, dass in Deutschland rund 3 von 1.000 Erwachsenen mit dem Hepatatis C-Virus infiziert sind.3 Bei etwa 4 von 10 Erkrankten wird aus einer akuten eine chronische Hepatitis C, das heißt, die Viren vermehren sich unablässig, ohne dass der Körper sie vernichten kann. Das schädigt die Leberzellen, den feingeweblichen Organaufbau der Leber und in der Folge auch andere Organe.

Die Symptome einer chronischen Hepatitis C sind unter anderem Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit und uncharakteristische Oberbauchbeschwerden. Manchmal fehlen verräterische Anzeichen ganz.

Leberzirrhose und Leberkrebs

Durch die chronische Leberentzündung entwickelt sich bei 15-30% der Betroffenen binnen 20 Jahren eine Leberzirrhose (Schrumpfleber),3 dieser Umbauprozess ist unumkehrbar. Wie oft das bei Hepatitis C vorkommt, ist nicht ganz klar, weil auch andere Ursachen wie vor allem Alkoholmissbrauch eine Zirrhose verursachen können. Weltweit hat jeder dritte Patient mit Leberzirrhose diese vermutlich auf Grund einer Hepatitis C-Infektion entwickelt.4 Eine in dieser Weise umgebaute Leber kann dann ihre Funktion nicht mehr erfüllen und außerdem staut sich das Blut in der Pfortader. Menschen mit Leberzirrhose entwickeln dadurch oft Krampfadern in der Speiseröhre und Aszites (Bauchwassersucht).

Ein zirrhotischer Umbau der Leber erhöht auch das Risiko für Leberkrebs. Man schätzt, dass jedes vierte Leberkarzinom auf das Konto von Hepatitis C-Viren geht.

Durch Leberversagen, Krampfaderblutungen und Krebs ist die Lebenserwartung der Patienten verkürzt. Eine Lebertransplantation, die möglicherweise helfen kann, ist letztlich aber nur erfolgreich, wenn keine Hepatitis-Erreger mehr im Blut nachweisbar sind.

Alte und neue Therapien

Während gegen Hepatitis A und B mit gutem Erfolg geimpft werden kann, gibt es gegen Hepatitis C bislang keine Impfung. Daher wird schon lange versucht, die unablässige Vermehrung des Virus mit Medikamenten zu hemmen und es schließlich ganz aus dem Körper zu entfernen. Diese Mittel setzen an verschiedenen Stellen der Virusvermehrung an. Seit Ende der 1980er Jahre versuchte man, die körpereigene Immunabwehr mit Hilfe von Interferon alfa zu aktivieren. Nur bei einem kleineren Teil der Patienten ließ sich so die Vermehrung der Viren hemmen. Interferon ist nicht besonders gut verträglich: Typisch sind in den ersten Behandlungswochen und oft auch danach grippeartige Beschwerden. Müdigkeit (Fatigue), Depression und Blutbildveränderungen sind ebenfalls häufig.

Seit rund 15 Jahren wird meist mit einer Kombination von Interferon und Ribavirin behandelt. Damit hilft man 40 bis 70 von 100 Erkrankten. Der Erfolg der Behandlung hängt auch von der Art des Hepatitis C-Virus ab. Es gibt sechs verschiedene Genotypen. Bei dem in Deutschland am häufigsten vorkommenden Genotyp 1 wird seit zwei Jahren oft zusätzlich ein Proteasehemmer verordnet. Dieses Jahr wurde mit Simeprevir ein dritter Proteasehemmer zugelassen, der besser verträglich ist und auch gegen den (hierzulande seltenen) Genotyp 4 hilft.

Behandlung ohne Interferon?

Seit Februar 2014 ist bei uns mit Sofosbuvir ein sogenannter Polymerasehemmer im Handel, der auf einem anderen Weg wirkt. Er hindert das Hepatitis C-Virus an der Vermehrung, indem er eine dafür benötigte Polymerase hemmt. Er wird immer mit Ribaverin kombiniert.

Bei Patienten mit Genotyp 2 wird das Virus häufiger eliminiert und das schlecht verträgliche Interferon kann entfallen. Zudem ist die Behandlungsdauer, mit meist nur 12 Wochen, kürzer. Für den Genotyp 1, 4, 5 und 6 liegen überzeugende Daten nur zur Behandlung einschließlich Interferon vor.5 Deshalb empfiehlt die europäische Zulassungsbehörde bei diesen Genoytpen das Weglassen von Interferon nur, wenn es nicht vertragen wird. Die Therapiedauer verlängert sich auf 24 Wochen. Bei Genotyp 3 sind bei interferonfreier Behandlung ebenfalls 24 Wochen erforderlich.

Für Sofosbuvir wurde in den Zulassungsstudien – mit Ausnahme für den Genotyp 2 – nicht ermittelt, wie gut es im Vergleich mit der bisherigen Standardtherapie tatsächlich wirkt.

Der Langzeitnutzen der neuen Medikamente ist allerdings noch offen: Werden die Hepatitis C-Viren dauerhaft entfernt? (siehe Kasten) Werden die oben beschriebenen Krankheitsfolgen dauerhaft vermieden? Über dieses Manko müssen Ärzte mit ihren Patienten sprechen.

Nach Sofosbuvir wurde bereits ein weiterer Wirkstoffe zur Hepatitis C-Behandlung zugelassen. Andere werden bald folgen. Die Zukunft liegt in der Kombination verschiedener Wirkstoffklassen – mit oder ohne Interferon alfa. Wem nützt die neue Möglichkeit?

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat den Nutzen von Sofosbuvir bewertet. Nur für bislang unbehandelte Patienten mit Genotyp 2 hat der G-BA einen „beträchtlichen Zusatznutzen“ zuerkannt. Das ist die zweitbeste mögliche Bewertung – sie gilt aber nur für 5% aller Hepatitis C-Patienten in Deutschland. Für die übrigen Genotypen und Behandlungsituationen gab es aufgrund der schlechten Datenlage entweder das Urteil „geringer Zusatznutzen“ oder „Zusatznutzen nicht belegt“. Jetzt verhandeln die Krankenkassen mit dem Hersteller über einen Rabatt.

Zirka 60.000 € kostet derzeit eine 12-wöchige Therapie mit Sofosbuvir. Dabei liegen die Her­stellungskosten bei nur 50 bis 100 €.7 Der Anbieter Gilead rechtfertigt den hohen Preis übrigens nicht – wie sonst üblich – mit den angeblich hohen Entwicklungskosten. Erforscht hat Sofosbuvir die US-Firma Pharmassett. Als der Wirkstoff in ersten Studien erfolgversprechende Wirkung zeigte, kaufte Gilead Pharmassett für elf Milliarden US$ auf. „Eine solche Investition muss natürlich zurückgespielt werden in den Markt“, argumentiert Johannes Kandlbinder von Gilead Deutschland.8 Diese Kalkulation scheint aufzugehen: Schon jetzt gilt Sofosbuvir (Sovaldi®) als die ökonomisch erfolgreichste Medikamenteneinführung aller Zeiten. Allein im ersten halben Jahr nahm der Hersteller mit dem Präparat 5,8 Milliarden US$ ein.9

Für die meisten Menschen auf der Welt unbezahlbar

Der astronomisch hohe Preis wirft aber noch eine ganz andere Frage auf: Neunzig Prozent der Hepatitis-C-Infizierten lebt in Entwicklungs- oder Schwellenländern. Dort sind dermaßen teure Mittel unerschwinglich. Nur preisgünstige Nachahmerpräparate (Generika) wären ein Ausweg. Aber die Hürden, die dafür notwendigen Ausnahmen vom Patentschutz zu erreichen, sind hoch.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2014 / S.06