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©Jörg Schaaber

Grippeimpfung aktuell

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Schweinegrippepandemie offiziell für beendet erklärt. Dennoch wird uns die Schweinegrippe weiter beschäftigen. In den Medien ist bereits zu lesen, dass im Herbst die nächste pandemische Grippe anrollen soll.1 Doch zur Panik gibt es keinen Grund.

Eigentlich sollte sich inzwischen die Erkenntnis herumgesprochen haben, dass die Schweinegrippe insgesamt relativ milde verlaufen ist und vorhergesagte Horrorszenarien ausgeblieben sind. Dass sich in der Bevölkerung die Furcht vor dem Virus zunächst schneller ausbreitete als das Virus selbst, liegt wahrscheinlich auch an der Bezeichnung „Schweinegrippe“. Dabei handelt es sich um ein Virus, das ebenso wie andere Grippeviren aus Bestandteilen von Viren entstanden ist, die beim Menschen, bei Säugetieren wie dem Schwein und bei Vögeln vorkommen. Korrekt wird die Schweinegrippe inzwischen als A-(H1N1)v-2009 bezeichnet, also als Variante (v), die im Jahre 2009 aufgetreten ist.

Die neuen Impfstoffe

Seit Jahrzehnten beobachtet man, dass sich Grippeviren verändern und dabei mal mehr, mal weniger gefährliche Erreger entstehen. Die Wandlungsfähigkeit ist der Grund, weshalb Grippeimpfstoffe jedes Jahr an die zu erwartenden Erreger angepasst werden müssen. Sie richten sich üblicherweise gegen die voraussichtlich häufigsten drei Virustypen.

In der Saison 2010/11 wird einer der drei in den Impfstoffen enthaltenen Antigene (abgetötete Viruspartikel) vom Virus der Schweinegrippe stammen. Denn es ist davon auszugehen, dass in diesem Winter erneut Schweinegrippeviren zirkulieren. Ist aber das Immunsystem durch das Antigen darauf vorbereitet, kann es schneller und besser reagieren. Genau das ist das Prinzip des Impfschutzes. Und auch nach der Ausbreitung der Schweinegrippe im vergangenen Jahr wird bei sehr vielen Menschen eine gewisse Teilimmunität (Schutz) gegen das Virus entstanden sein.

Spezialimpfstoffe wie Pandemrix® (GPSP 6/2009, Seite 10), die ausschließlich gegen Schweinegrippe wirken sollten, sind nun also überholt. Sie waren im vergangenen Jahr nur deshalb erforderlich, weil das Impfvirus erst so spät zur Verfügung stand und es daher nicht mehr in die üblichen Winterimpfstoffe eingearbeitet werden konnte.

Für diesen Winter gibt es wirkverstärkerfreie und deshalb relativ gut verträgliche Grippeimpfstoffe von verschiedenen Anbietern. Zusätzlich werden Präparate mit Wirkverstärker angeboten wie Fluad®, das ausschließlich für Erwachsene ab 65 Jahre zugelassen ist. Es fehlen allerdings Belege dafür, dass solche Impfstoffe tatsächlich besser schützen als Präparate ohne Wirkverstärker.
Die Preise pro Impfung liegen zwischen 26,17 Euro (Grippeimpfstoff-Ratiopharm®) und 31,86 Euro (Afluria®).2 Drastische Preissteigerungen fallen auf: Die Anbieter haben die Preise der Grippeimpfstoffe innerhalb von fünf Jahren etwa verdoppelt.3 Eine solche Preiserhöhung kann sich wohl nur die pharmazeutische Industrie leisten. Für Autofirmen, für Kühlschrankbauer oder Computerhersteller würde eine Preisverdoppelung innerhalb von fünf Jahren das Aus bedeuten.

Wer soll geimpft werden?

Die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt bestimmten Personengruppen, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Dazu gehören

  • besonders exponierte Personen mit viel Menschenkontakt (Busfahrer, Lehrer, Krankenhauspersonal),
  • alle über 60-Jährige,
  • Patienten mit chronischen Erkrankungen der Atemwege, des Herzens, der Nieren und des Stoffwechselsystems einschließlich Diabetes mellitus,
  • Patienten mit chronischen Erkrankungen, die sich auf die Atemwege auswirken können, sowie
  • Menschen mit angeborener beziehungsweise erworbener Immunschwäche.

Erstmals wird jetzt auch in Deutschland Schwangeren die Impfung mit dem Dreifachgrippeimpfstoff empfohlen. Nach Berichten aus dem Ausland und langjährigen Erfahrungen mit Impfstoffen, die wie der Grippe-impfstoff abgetötete Erreger enthalten, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Zudem sind schwangere Frauen eher durch schwere Grippeinfektionen gefährdet, die eine Behandlung im Krankenhaus erfordern.4 Der Nutzen der Impfung ist jedoch für Schwangere ebenso unzureichend geprüft wie für den Rest der Bevölkerung. Von einer gewissen Wirksamkeit ist zwar auszugehen. Wie gut der Schutz tatsächlich ist, lässt sich jedoch mit den vorhandenen Studien nicht zuverlässig abschätzen. Da anderseits nicht anzunehmen ist, dass die Grippeimpfung unwirksam ist, können sich Personen der oben genannten Risikogruppen impfen lassen. Dringend müssen allerdings die Wissenslücken durch geeignete Studien geschlossen werden.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2010 / S.04