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© J. Schaaber

Darmbakterien in Aktion

Welche Rolle Darmbakterien für unsere Gesundheit spielen, ist derzeit ein heißes Thema in der Wissenschaft. Die Übertragung von Darminhalt – also die so genannte Stuhltransplantation – soll eine heilende Wirkung haben. Doch welche Bakterien im Darm positive und welche negative Effekte haben, steht weiterhin zur Debatte.1

Unser Körper ist von unzähligen Bakterien besiedelt. Die meisten helfen uns: Auf der Haut sorgen sie dafür, dass schädliche Keime schlechter in unsere Haut eindringen können; in der Scheide kümmern sie sich um einen niedrigen pH-Wert, den die meisten schädlichen Bakterien nicht mögen; und im Darm helfen sie uns dabei, die Nahrungsbestandteile zu zerteilen, zu verwerten und gefährliche Keime abzuwehren.

Aktuell wird untersucht, ob die Bakterien im Darm – von Wissen­schaftlern intestinales Mikrobiom genannt – unser Immunsystem beeinflussen. Oder, ob wir durch eine ungünstige Bakterienzusam­mensetzung gar übergewichtig werden, Diabetes oder eine Auto­immunerkrankung bekommen?

Das Mikrobiom spielt eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit. Manche Wissenschaftler bezeichnen es sogar als externes Organ. Ob der Darm gut funktioniert, hängt davon ab, wie viele unterschiedliche Bakterien in ihm „wohnen“ und ob sie gut zusammenarbeiten.

Antibiotika stören

Antibiotika können bei schweren Infektionen Leben retten. Sie dürfen aber nicht inflationär verordnet werden – schon gar nicht bei einer einfachen Erkältung, wo sie gar nicht wirken können. Frauen handeln sich leicht einen Scheidenpilz ein, wenn sie Antibiotika einnehmen müssen. Der Grund: Die nützlichen Bakterien in der Scheide werden auch angegriffen.

Viele Menschen bekommen bekanntlich Durchfall, wenn sie eine Antibiotikatherapie machen. Das passiert, weil im Darm auch die Bakterien verringert werden, die wir bei der Verdauung brauchen.

Chaos im Darm

Bei Menschen, die an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden, ist das Bakterienmilieu tiefgreifend gestört. Auch deshalb kommt es zu blutigem Durchfall und Bauchkrämpfen. Die Ursache dafür ist nicht geklärt. Nachweislich haben CED-Patienten weniger Bakterienarten im Darm, und die vorhandenen erfüllen ihre Aufgaben nicht so, wie sie sollen. Ob das aber Ursache oder Folge dieser Darmerkrankungen ist, ist bisher unklar.2

Wenn bei Menschen mit CED die Bakterienflora im Darm geschädigt ist, könnte man meinen, man müsse den Darm nur wieder durch nützliche Bakterien „in Ordnung“ bringen. Aber: Es gibt nicht „die eine“ Bakterienzusammensetzung im Darm, die garantiert, dass ein Mensch gesund ist. Es befindet sich etwa eine Billion (1012) Bakterien in einem Gramm Darminhalt. Wie viele es sind und welche variiert von Mensch zu Mensch.

Weitreichende Wirkungen

Anhand von ganz bestimmten Darmbakterien versuchen Wissenschaftler, Menschen in drei Typen einzuordnen: Bacteroides, Prevotella und Ruminococcus. Die Zuordnung erfolgt je nach der Bakterien-Gruppe, die bei ihnen am häufigsten im Darm ist. Die Unterscheidung ist indes nicht so eindeutig wie etwa bei der Blutgruppenzugehörigkeit. Sie kann aber Hinweise darauf geben, ob wir Zucker und Kohlenhydrate schnell oder langsam verwerten, und folglich zu den „guten Futterverwertern“ gehören und deshalb schneller Fett ansetzen, oder zu den „langsamen“.

Erkenntnisse aus Tierversuchen: Dicke Mäuse haben eine andere Darmbakterienflora als dünne. Und man kann eine dünne Maus dick machen, wenn ihr die Darmbakterien einer dicken eingepflanzt werden.3

Auch beim Menschen kann die Übertragung von Bakterien solche Auswirkungen haben. Das kam zufällig ans Licht, als Ärzte einer Frau mit schwerer Darmerkrankung durch Clostridium difficile nach einer Antibiotika-Behandlung versuchsweise den Stuhl ihrer darmgesunden Tochter transplantierten. Seither hat die Patientin zwar keinen Durchfall mehr, sie ist aber übergewichtig – wie ihre Tochter.4 Anders gesagt: Mit dem Stuhl könnten unerfreuliche Eigenschaften und Krankheiten übertragen werden. Das ist allerdings ein Einzelfallbericht, der durch weitere Studien überprüft werden muss.

Risiken durch Stuhltransplantation?

Eine solche Transplantation kann heute bei schwerem Durchfall durch das Bakterium C. difficile versucht werden, wenn andere Therapien nicht geholfen haben. Das Verfahren wurde an einigen Menschen untersucht und hatte zum Teil Erfolg. Inwieweit Menschen mit CED davon profitieren, haben kanadische und niederländische Wissenschaftler kürzlich bei Patienten mit Colitis ulcerosa überprüft.5,6 Dabei kamen sie zu widersprüchlichen Ergebnissen: Die einen sahen eine Besserung, die anderen keine Wirkung. Nach diesen Studien ist der Erfolg einer Stuhltransplantation bei CED nicht bewiesen.

Wenig ist über unerwünschte Wirkungen von Stuhltransplantationen bekannt. Es besteht der Verdacht, dass dabei sogar psychische und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes übertragen werden könnten.

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA wollte deshalb solche Transplantationen gesetzlich regeln. Geplant war, die Therapie mit Stuhl wie ein Medikament zu untersuchen, um die unerwünschten Wirkungen abzuklären. Aber das Internet war schneller: Auf Youtube gab es bereits mehrere Videos, die erklärten, wie man eine Stuhltransplantation durchführt.7 Parallel dazu entstand eine Stuhl-Spenderbank (Open Biome).

Obwohl langfristige (negative) Auswirkungen noch nicht bekannt sind, werden in Kliniken schon – teilweise unkontrolliert – Stuhltransplantationen vorgenommen.

Seit August 2015 gibt es auch auf Deutsch eine Youtube-Anleitung für Laien. Das Video erwähnt aber nicht, wie unklar die langfristigen Folgen der Prozedur sind. Ob Betroffene mit dem Stuhl übertragene Erkrankungen irgendwann wieder los werden, ist nicht geklärt.

 GPSP warnt vor Stuhltransplantationen auf eigene Faust! Bisher war diese Behandlung nur bei einigen Menschen mit Durchfall durch C. difficile erfolgreich, und das auch nur, wenn der Stuhl vorher auf schädliche Bakterien und Viren untersucht worden war.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2015 / S.06