Neurodermitis: Besser wissen, was helfen kann
Neurodermitis-Schulungen vermitteln Eltern praktisches Wissen
Die Haut ist rot, trocken und rissig, manchmal bilden sich nässende Ausschläge (Ekzeme). Vor allem der Juckreiz quält, und Kratzen macht alles noch schlimmer. All diese Symptome sprechen für eine Neurodermitis, die sich bei Kindern meist schon in den ersten Lebensmonaten zeigt. Was Eltern belastet und beunruhigt: Arzneimittel helfen nur begrenzt. Hier setzen Neurodermitis-Schulungen an. Sie vermitteln Eltern nützliches Wissen, um mit der Krankheit umzugehen.
Bei Eltern von kleinen Neurodermitis-Patienten stapeln sich zu Hause oft Cremes und Lotionen. Silberbeschichtete Kleidungsstücke liegen im Schrank, verdächtige Lebensmittel werden vom Speiseplan gestrichen – in der Hoffnung, dass es dem Kind durch irgendetwas besser geht. Oft bleibt der Erfolg aber aus. Viele Eltern sind ratlos und fühlen sich gestresst. Die Krankheit überschattet das Familienleben.
Der Grund für dubiose Einkäufe und allerlei Diätvorschriften, die Eltern und Kinder belasten, ist die Tatsache, dass es keine wirkliche und dauerhafte Heilung der Hauterkrankung gibt. Falschen Versprechungen und Scharlatanerie ist dadurch Tür und Tor geöffnet.
Mögliche Ursachen
Rein biologisch wird ein angeborener Filaggrin-Mangel als Ursache diskutiert. Dieses Eiweiß spielt bei der Bildung der Haut eine Rolle. Durch einen Mangel verändert sich die Zusammensetzung der Hautfette, die Haut verliert mehr Feuchtigkeit als üblich. Auch Umweltbedingungen und der Lebensstil können Neurodermitis fördern, etwa wenn Eltern rauchen. Zudem gibt es eine allergische Form der Neurodermitis. Bestimmte Allergene spielen bei jedem dritten Neurodermitis-Kranken eine Rolle.
Richtig managen
Neurodermitis ist nicht heilbar. Die Symptome lassen sich aber gut behandeln, wenn Eltern wissen, wie sie bei welchem Hautzustand reagieren müssen. Doch genau daran hapert es: In der Sprechstunde beim Kinderarzt oder Hautarzt ist häufig nicht genug Zeit, um ausführlich über die Krankheit zu sprechen.
Schlägt die ärztliche Therapie dann nicht wie gewünscht an, sind Eltern verunsichert und frustriert. Sie wechseln Arzt oder Ärztin, suchen einen Heilpraktiker auf, recherchieren im Internet mit seinem Überangebot an verführerischen Tipps und unseriösen Heilungsversprechen. Die Folge: Geldausgaben für wissenschaftlich nicht belegte Therapien.
Umgang mit der Krankheit lernen
Weil die Linderung der Hautbeschwerden so wichtig ist, wurden früh Neurodermitis-Schulungen entwickelt. Um diese zu vereinheitlichen, hat das Bundesministerium für Gesundheit über mehrere Jahre die Entwicklung eines nachweislich nützlichen Programms gefördert. Dessen Ziel war, Eltern darin zu unterstützen, Beschwerden ihrer Kinder zu lindern. Die Kurse, die im Rahmen eines Modellprojektes erarbeitet und auch im Hinblick auf ihre Wirksamkeit geprüft wurden, folgen einem festgelegten Schema.2 Geleitet werden sie immer von einem gut gemischten Team aus Ärztin, Psychologen und Ernährungsberaterin.
Basispflege stärkt die Hautbarriere – Schübe werden seltener.
In sechs Doppelstunden erfahren Eltern zunächst einiges über die Hintergründe der Krankheit: Warum tritt Neurodermitis auf? Was sind mögliche Auslöser? Warum ist das tägliche Cremen so wichtig? Durch die sogenannte Basispflege wird die Hautbarriere gestärkt, Schübe werden seltener und verlaufen insgesamt milder.
Viel Raum bekommen praktische Anleitungen: Welche Pflegeprodukte sind für welchen Hauttyp geeignet? Die ärztliche Leitlinie Neurodermitis empfiehlt Öl-in-Wasser-Emulsionen bei wenig trockener Haut, fette Salben bei sehr trockener Haut.3 Doch Kinder reagieren unterschiedlich auf diese Pflegeprodukte. Hier hilft oft nur, auszuprobieren und die Haut zu beobachten. Eltern lernen in den Kursen auch zu erkennen, wie sie bei welchem Entzündungsgrad der Haut vorgehen müssen: trockene Haut mit Basispflege eincremen, entzündete Hautstellen eventuell mit Cortison behandeln, nässende Haut desinfizieren.
Wann und wie lange Cortison?
Wenn die Basispflege nicht ausreicht, verordnen Ärzte zusätzliche Arzneimittel, allen voran Cortisonpräparate. Es ist ein praktisch unerlässlicher Bestandteil der Neurodermitis-Behandlung. Inzwischen gibt es mehr als 30 Produkte in vier Stärkeklassen. Welches Mittel geeignet ist, hängt unter anderem vom Grad der Erkrankung, dem Alter des Kindes und den betroffenen Hautstellen ab.2 Für Kinder werden bevorzugt Produkte der Stärkeklasse II eingesetzt. Der Arzt oder die Ärztin muss mit Ihnen die beste Therapie besprechen.
Bei einem akuten Ekzem sollte für einige Tage einmal täglich Cortison aufgetragen werden, bis die Haut abgeheilt ist. Oft sieht die Haut schon nach wenigen Tagen besser aus und Eltern setzen das Cortisonpräparat – aus Angst vor unerwünschten Wirkungen – ab. Doch: Oft kommt der Ausschlag kurze Zeit später zurück. Dann muss aber länger und intensiver behandelt werden. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern den schubweisen Verlauf der Erkrankung verstehen, die meist eine längerfristige Behandlung erfordert.
Bei einer mittelschweren bis schweren Neurodermitis kann eine längerfristige Intervalltherapie helfen: An zwei Tagen in der Woche – insgesamt nicht häufiger als an 8 bis 10 Tagen im Monat – werden stark entzündete Hautstellen zusätzlich zur Basispflege mit Cortison eingecremt. Auch dadurch werden Schübe seltener.4
Dem Stress begegnen
Das Leben mit Neurodermitis kann nicht nur für das Kind, sondern für die ganze Familie sehr anstrengend sein. Häufige Arztbesuche, ständiges Eincremen und Schlafmangel zehren, weil der Juckreiz das Kind nachts weckt. Und die eigene Hilflosigkeit tut weh. Hinzu kommt, dass bei Babys und Kleinkindern häufig die Haut auf den Wangen, an den Armen und Beinen betroffen ist – also Stellen, die jeder sieht. Das kann stigmatisieren: Manche Eltern müssen sich anhören, sie kümmerten sich nicht genug um ihr Kind, bekommen ungefragt Tipps, wie sie die Krankheit behandeln sollen. All das belastet ungemein. Deshalb werden in den Schulungen auch Entspannungsmethoden wie Autogenes Training und Strategien zur Stressbewältigung geübt.
Daneben bleibt viel Raum, Fragen zu stellen, eigene Erfahrungen zu schildern, sich auszutauschen und einander Tipps zu geben. Denn oft tut es schon gut zu hören, dass es anderen Eltern und Kindern genauso geht.
Nutzen geprüft
Neurodermitis-Schulungen steigern nicht nur das Wissen über die Krankheit. Eltern können sie anschließend auch besser akzeptieren, fühlen sich weniger stark belastet und sind zufriedener mit ihrem Leben. Sie können den Hautzustand bei ihrem Kind besser einschätzen und wissen so, die Beschwerden ihres Kindes zu lindern. Außerdem haben sie das beruhigende Gefühl, das – für sie unerträgliche – Kratzen unter Kontrolle zu bekommen, also zu reduzieren. Für Eltern ist die Schulung also ein Gewinn.
Und auch die Kinder profitieren. Ihr Hautbild verbessert sich objektiv, und sie leiden weniger unter Juckreiz und Schlaflosigkeit. Die ärztliche Behandlungsleitlinie Neurodermitis empfiehlt die Teilnahme an den Schulungen deshalb ausdrücklich.
Cortison
GPSP 6/2016, S. 9
Stand: 2. Mai 2017 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2017 / S.16