Update zu Misoprostol
Neues Präparat und neue Leitlinie für die Geburtseinleitung
Der Wirkstoff Misoprostol wird in der Geburtshilfe schon lange eingesetzt. Er gilt als wirksam und sicher. 2020 gab es jedoch Aufregung um mögliche schwere Nebenwirkungen bei Überdosierung. Wichtige Gründe dafür: Es fehlte ein zugelassenes Präparat in passender Dosierung und eine gültige Leitlinie zur korrekten Anwendung. Beides hat sich nun erfreulicherweise geändert.
Bei jeder fünften Geburt in Deutschland werden die Wehen künstlich ausgelöst. Das geschieht meist mit Medikamenten in Form von Tabletten, Gel, Scheidenzäpfchen oder „Wehentropf“. Ein wichtiger Wirkstoff ist hier Misoprostol, der in der richtigen Dosierung als wirksam und wenig riskant gilt.
Fehlanwendung von Cytotec®
Trotz dieser guten Datenlage gab es Anfang 2020 Aufregung um Misoprostol: Medienberichten zufolge hatten Frauen nach einer Geburtseinleitung mit diesem Wirkstoff unerträglich heftige Wehen (Wehensturm) und sogar Gebärmutterrisse mit teils schweren Folgen erlebt.
Eine mögliche Ursache: Es gab in Deutschland bis September 2020 kein zugelassenes Arzneimittel mit Misoprostol zur Geburtseinleitung. Stattdessen wurde vielfach das Medikament Cytotec® mit demselben Wirkstoff eingesetzt, das aber nur als Magenmittel zugelassen ist. Mit 200 Mikrogramm Misoprostol enthält Cytotec® vier- bis zehnmal mehr als die Dosis, die für die Geburtseinleitung benötigt wird.
Medienberichten zufolge wurden im Kreißsaal Tabletten teilweise mit einem Messer zerteilt, was zu überhöhten Dosierungen führen kann. Die deutsche Zulassungsbehörde warnte vor solchen Aktionen.
Präparat Angusta® zugelassen
Seit September 2020 ist das Mittel Angusta®, das in anderen Ländern schon länger zur Geburtseinleitung eingesetzt wird, auch in Deutschland zugelassen. Eine Tablette zum Schlucken enthält 25 Mikrogramm Misoprostol. Die Fachinformation empfiehlt bei oraler Einnahme eine Dosierung von 25 Mikrogramm alle zwei Stunden oder bis zu 50 Mikrogramm alle vier Stunden.1 Das entspricht der Studienlage.
Allerdings ist Angusta® in Deutschland derzeit noch nicht regulär auf dem Markt, der Anbieter rechnet Ende 2021 mit der Verfügbarkeit. Bis dahin gibt es nur die Möglichkeit, das Präparat aus dem Ausland zu importieren. Seit der behördlichen Warnung vor der Nutzung von Cytotec® wird das wohl auch vermehrt in Anspruch genommen.
Aktualisierte Leitlinie bietet Orientierung
Außerdem wurde im Dezember 2020 eine aktuelle Version der Leitlinie „Geburtseinleitung“ der deutschsprachigen gynäkologischen Fachgesellschaften veröffentlicht.2 Damit haben Ärztinnen und Ärzte eine zusätzliche Hilfestellung für die Anwendung von Misoprostol an der Hand. Eine erste Dosierung von über 50 Mikrogramm und Einzeldosierungen von über 100 Mikrogramm sollen laut der Leitlinie vermieden werden.
Die Autor:innen der Leitlinie weisen darauf hin, dass es schwierig sei, die optimale Dosis zu finden, da eine erhöhte Dosis die Wirkung verbessere, aber auch mehr Nebenwirkungen zur Folge haben könne. Und sie machen deutlich: „Eigenhändiges Zerstückeln von Tabletten höherer Dosierung (…) sind aufgrund der Ungenauigkeit der Stabilität und Wirkstoffkonzentration zu vermeiden.“ Ein Hinweis, der sich mit der Zulassung des neuen Präparats nun hoffentlich bald erübrigt.
Cytotec®
GPSP 4/2020, S. 10
Stand: 3. März 2021 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2021 / S.09