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© Martin Wahlborg/ iStockphoto.com

Berliner Ärztekammer wehrt sich gegen Irreführung

Im letzten Heft machten wir in „Werbung – Aufgepasst!“ (GPSP 6/2013, S. 28) auf eine perfide Werbestrategie aufmerksam: Als Fortbildung getarnte Beeinflussung von Ärztinnen und Ärzten. Als GPSP über die Veranstaltung von Medical Tribune berichtete, hatte diese noch nicht stattgefunden. Wir haben von der Ärztekammer Berlin (ÄKB) nun interessante zusätzliche Informationen erhalten, die unsere Befürchtungen bestätigen.

GPSP hatte berichtet, dass es zwei Versionen des Veranstaltungsprogramms gab: eine mit der Angabe „Ein Beitrag der Firma XY“ unter jedem einzelnen Vortrag und eine andere um diese Angaben bereinigte Fassung.

Kammer getäuscht

Wie wir inzwischen erfahren haben, hatte Medical Tribune der Ärztekammer Berlin zur Zertifizierung eine Fassung ohne die Firmenangaben eingereicht – und so die Chance erhöht, an die Teilnehmer der Veranstaltung die begehrten Fortbildungspunkte vergeben zu können. Aufmerksame Ärzte hatten die Kammer auf die im Internet veröffentlichte firmenlastige Programmversion der Fortbildung aufmerksam gemacht. Auf Nachfragen reagierte Medical Tribune gegenüber der Ärztekammer Berlin mit einer fadenscheinigen Erklärung: Man wolle mit der Nennung der Firmen Transparenz über das Sponsoring herstellen. Die Vorträge seien firmen- und produktneutral gestaltet. Die Kammer gab sich damit nicht zufrieden und besuchte die Fortbildung. Anschließend ließ sie sich alle Vorträge und weitere Unterlagen vorlegen. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Vorträge entsprach nicht der erforderlichen Firmen- und Produktneutralität.

Ernste Konsequenzen

Die Ärztekammer Berlin hat nun ein Verfahren zur Aberkennung der Fortbildungspunkte eingeleitet. Das könnte Folgen haben: Bei einer Aberkennung fehlen den 152 Ärztinnen und Ärzten die Punkte von dieser Veranstaltung. Sie müssten eine andere Fortbildung besuchen, um die verloren gegangenen acht Fortbildungspunkte zu erhalten. Und Medical Tribune muss alle Teilnehmer über den Punkteverlust informieren. Denn wer als Arzt nicht genug Fortbildungspunkte hat, muss mit Honorarkürzungen seitens der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin rechnen. Auch den Rednern der Veranstaltung droht Ungemach. „Es ist nicht mit dem berufsrechtlichen Gebot der gewissenhaften Berufsausübung zu vereinbaren, wenn im Rahmen von durch die Ärztekammer Berlin zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen, trotz entsprechender schriftlicher Verpflichtung, nicht firmen- und produktneutrale Vorträge gehalten werden“, so die Ärztekammer Berlin.

Die Hamburger Ärztekammer prüft gerade ebenfalls, ob sie Fortbildungen von Medical Tribune die Zertifizierung entziehen muss, weil sie nicht produktneutral durchgeführt wurden.

Weitere Maßnahmen

Die Ärztekammer Berlin beabsichtigt, die Zügel anzuziehen. Sie prüft, „ob Veranstaltern und wissenschaftlichen Leitern, die gegen die Gebote der Firmen- und Produktneutralität verstoßen haben, für einen bestimmten Zeitraum die Zertifizierung von Fortbildungsveranstaltungen bzw. die wissenschaftliche Leitung versagt werden kann.“

Hase und Igel

Ein Dilemma der Ärztekammern bleibt der unüberschaubare Fortbildungsmarkt. Allein in Berlin finden jährlich rund 16.000 solche Veranstaltungen statt. Unabhängige Fortbildungsangebote sind wichtig. Die Ärztekammer Berlin macht durchaus entsprechende Angebote, die immer schnell ausgebucht sind. Aber ihre finanziellen Mittel sind begrenzt und viele Ärzte sind an kostenfreie Fortbildungsveranstaltungen gewöhnt.

Wer allerdings glaubt, dass Firmen aus reiner Menschenfreundlichkeit solche Veranstaltungen sponsern (und nicht selten auch für Verpflegung sorgen), verkennt, dass es so etwas wie ein kostenloses Essen nicht gibt. Der Preis dafür ist verzerrtes Wissen, das letztlich der Gesundheit der Patienten und dem Ansehen der Mediziner schadet. Die unabhängige Ärzteinitiative MEZIS hat jedenfalls die richtigen Konsequenzen gezogen, ihr Name ist Programm: „Mein Essen Zahl Ich Selbst“ (GPSP 4/2012, S. 12).

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2014 / S.13