Wenn die Zecke sticht
Infektion mit Borrelien vermeiden, erkennen, behandeln
Mit steigenden Temperaturen kommen nicht nur die Menschen, sondern auch die Zecken aus ihren Winterquartieren. Viele Menschen fürchten die kleinen Blutsauger, weil sie Krankheitserreger wie Borrelien übertragen können. Damit aus Furcht nicht Panik wird, hat GPSP wichtige Informationen zur Borreliose zusammengestellt. Über das regional begrenzte Risiko der Hirnhautentzündung FSME durch Zecken haben wir in GPSP 4/2010 (S. 6) berichtet.
Spricht man unter Freunden über Konzentrationsstörungen, Gliederschmerzen oder anhaltende Müdigkeit, hört man immer öfter den Tipp: Vielleicht hast du eine unerkannte Borreliose. Wahr ist, dass eine Borrelieninfektion diese Symptome hervorrufen kann. Dass man eine Borreliose oft nicht nachweisen und nicht effektiv behandeln kann, wie unseriöse Veröffentlichungen glauben machen, entspricht jedoch nicht den Tatsachen.
Gute Nachricht: Borreliose ist selten!
Borrelien leben meist in Mäusen und werden durch die blutsaugenden Zecken auf jede neue Mausgeneration übertragen. Die Maus erkrankt nicht, sondern trägt die Bakterien nur in sich (Reservoir). Der Mensch erkrankt im Gegensatz zur Maus, er kann aber andere nicht anstecken.
Hauptüberträger der Borrelien auf Menschen sind Schildzecken (Ixodes ricinus oder der „gemeine Holzbock“).1 Allerdings enthält nur jede siebte junge Zecke – und vor allem diese stechen uns – Borrelien. Von diesen „verseuchten“ Plagegeistern überträgt auch nur jede vierte beim Stechen Borrelien. Das heißt: Es gelangen nur selten Borrelien in die kleine Stichwunde: Von 100 Gestochenen bekommen nur 4 eine Borreliose.2
Selbst wenn eine Zecke Borrelien in sich trägt, dauert es 14 bis 24 Stunden bis diese aus dem Darm der Zecke in ihren Speichel gelangen und auf den Menschen übertragen werden können. Wer eine Zecke in den ersten 14 Stunden komplett entfernt, steckt sich also sehr wahrscheinlich nicht an.3
Frühe Anzeichen
Frühestens sieben Tage nach einem Zeckenstich kann sich eine Borrelieninfektion bemerkbar machen – durch eine Rötung von etwa 4 Zentimeter um den Einstich. Weil sich Größe und Ort ändern können, heißt sie Wanderröte (Erythema migrans). Meistens ist sie schmerzlos, kann aber jucken. Manchmal fühlt man sich krank: typisch sind Fieber und kurzandauernden Schmerzen in kleinen Gelenken und Sehnen.
Da in dieser frühen Phase noch keine Antikörper gegen Borrelien im Blut nachweisbar sind, ist die Wanderröte der Beleg für eine Infektion. Sie tritt bei den meisten Infizierten auf. Falls Ihnen eine solche Rötung auffällt, sollten Sie sofort zum Arzt gehen! Bestätigt sich die Diagnose, verordnet der Arzt ein Antibiotikum, das die Borrelien abtötet und verhindert, dass sie sich weiter im Körper ausbreiten. Nach dieser Therapie ist in der Regel die Gefahr gebannt.
Langfristige Folgen
Wird die Wanderröte übersehen und nicht behandelt, können sich die Borrelien im Körper ausbreiten. Manchmal kommt es in dieser Phase erst nach Wochen zu grippeähnlichen Krankheitszeichen. Diese Phase kann aber auch symptomlos verlaufen. Ärzte können hier durch eine Blutuntersuchung meistens eine Borrelien-Infektion nachweisen. Auch hier verhindern Antibiotika eine weitere Ausbreitung der Bakterien.
Bleibt die Infektion in dieser Phase unbehandelt, können Borrelien zum Beispiel einzelne Organe wie das Herz (Lyme-Karditis) oder Nerven und Gehirn (Neuroborreliose) befallen. Bei der Neuroborreliose schmerzen wechselnde Stellen an Beinen oder Armen, wogegen die herkömmlichen Schmerzmittel oft unzureichend wirken.3 Wandern die Borrelien weiter ins Gehirn, können sich die Hirnhäute entzünden (Meningitis). Das klingt sehr bedrohlich, aber Panik ist fehl am Platz: Auch eine Meningitis lässt sich durch die Kontrolle von Nervenwasser aus dem Rückenmarksbereich gut erkennen und mit Antibiotika behandeln.
Liegt die Infektion Monate bis Jahre zurück, spricht man von einer chronischen Borreliose. Patienten leiden oft an Gelenkentzündungen (Lyme-Arthritis) und gleichzeitig an einer bläulichen Entzündung der Haut. Der Arzt kann einen Borrelienverdacht durch eine Hautprobe (Biopsie) und bei Arthritis durch eine Blutuntersuchung erhärten und mit Antibiotika behandeln. Sind in diesem Stadium der Infektion im Blut keine Antikörper gegen Borrelien nachweisbar, kann eine Borreliose ausgeschlossen werden. Dann muss nach anderen Ursachen für die Symptome gesucht werden.
Keine Wanderröte – trotzdem infiziert?
Tritt nach einem Zeckenstich keine Wanderröte auf, ist eine Infektion mit Borrelien unwahrscheinlich. Jedem Menschen nach einem Zeckenstich ein Antibiotikum zu verordnen ist daher nicht sinnvoll. Außerdem hat die Borreliose in Europa eine sehr günstige Prognose. Deshalb rät auch GPSP von einer „vorsorglichen“ Antibiotika-Therapie ab.
Es kommt vor, dass Patienten sich nach einer Antibiotika-Behandlung noch lange müde und schlapp fühlen und über diffuse Schmerzen klagen. Oft bitten sie ihren Arzt oder ihre Ärztin um eine erneute Behandlung mit einem Antibiotikum. Mehrere Studien belegen jedoch, dass dies nicht hilft.4
Im Internet bieten auch Heilpraktiker Hilfe gegen die diffusen Beschwerden einer Borreliose an: „Darmreinigung“ oder „Entgiftung“, „Entsäuerung“ und anschließend einen „Aufbau des Immunsystems“ durch Antioxidantien, Vitamine und Mineralien. Ein Nutzen dieser Maßnahmen ist nicht bewiesen, und sie müssen aus eigener Tasche bezahlt werden.
Neben Menschen, die tatsächlich eine Borreliose durchgemacht haben, gibt es andere, die unter unklaren Beschwerden ohne genaue Ursache leiden. Leider hat eine unsachliche Berichterstattung in der Presse und im Internet dazu geführt, dass zu viele Menschen glauben, sie seien an einer unerkannten Borreliose erkrankt. Es gibt sogar einzelne Ärzte die versuchen, Patienten trotz nicht bestätigter Borreliose mit hochdosierten Antibiotika zu behandeln. Dies hat nicht nur keinen Nutzen, sondern manchmal sogar tödliche Folgen.
Stand: 1. Juni 2014 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2014 / S.04