Flugreisen und Venenthrombosen
Tribut an den Massentourismus
Einer von 4.600 gesunden Reisenden bekommt auf Langstreckenflügen eine tiefe Venenthrombose. Die Gefahr ist um so größer, je länger der Flug dauert. Menschen mit zusätzlichen Risikofaktoren wie beträchtlichem Übergewicht oder Krampfadern sind besonders gefährdet.
Langstreckenflüge sind meist nicht bequem. Der Sitz ist eng und für die Beine gibt es wenig Platz, besonders für lange und beleibte Menschen. Das stundenlange Sitzen behindert den Blutrückfluss in den Beinen. Das Blut wird zudem dickflüssiger, wenn man wenig trinkt, vielleicht um den lästigen Gang zur engen Toilette hinauszuzögern. Ab vier bis fünf Stunden Flugzeit steigt das Risiko für Blutgerinnselbildung in den Beinen. Nach Untersuchungen an gesunden Vielfliegern ist bei Flügen, die länger als 4 Stunden dauern, einer von 4.600 Passagieren betroffen, bei Flugzeiten über 16 Stunden einer von 1.300.1
Die Komplikationen entwickeln sich meist gegen Ende des Fluges oder wenige Tage danach. Typisch sind gerötete, geschwollene und druckempfindliche, bisweilen schmerzhafte Unterschenkel. Meist lösen sich die Thrombosen in den folgenden Wochen von selbst wieder auf. Schlimm ist aber, wenn sich ein Blutgerinnsel losreißt, mit dem Blut in die Lunge gelangt und dort eine Arterie verstopft. Eine solche Lungenembolie kann tödlich enden. Bei Verdacht auf „Reisethrombose“ sollte man also auf jeden Fall zum Arzt gehen.
Risikofaktoren kennen
Frauen scheinen etwas stärker gefährdet zu sein als Männer. Frauen, die mit einer Östrogen- und Gestagen-haltigen Pille verhüten, haben zusätzlich eine etwas erhöhte Thrombosegefahr (vgl. GPSP 6/2009, S. 3), die nach Absetzen der Pille erst etwa zwei bis drei Monate später wieder abgeklungen ist.2 Empfängnisverhütende Mittel, die ausschließlich ein Gestagen enthalten (z.B. Minipille), schneiden unter diesem Gesichtspunkt besser ab.
Wer im Flieger am Fenster sitzt, ist stärker gefährdet als Passagiere mit einem Gangplatz. Der Grund ist einfach: Wer am Gang sitzt, ist weniger eingeklemmt und hat es leichter, zwischendurch aufzustehen und den Kreislauf in Schwung zu bringen. Auch geringe Körpergröße wirkt sich unter Umständen negativ aus: Der Blutfluss wird stärker behindert, falls die Kniekehle auf den Sitz drückt, weil die Beine nicht bis zum Boden reichen. Deutliches Übergewicht ist ebenfalls ungünstig.
Vorbeugen ist möglich
Für die meisten Menschen mit geringem Risiko einer Reisethrombose reicht es aus, sich während des Langzeitfluges genügend zu bewegen und viel zu trinken (keinen oder nur wenig Alkohol), damit das Blut nicht eindickt. Wer von Zeit zu Zeit in der Kabine umhergeht, verbessert die Durchblutung seiner Beine. Eingekeilt zwischen anderen Reisenden kann man seinen Platz manchmal jedoch nicht so leicht verlassen. Und wer schläft, dem sind die im Schlaf üblichen Positionsveränderungen kaum möglich. Fluglinien empfehlen in Videos oder auf Schaukarten Fußgymnastik. Dass solche einfachen Übungen jedoch tatsächlich nützen, ist nicht gesichert.2 Kräftiges Beugen des Sprunggelenkes gegen Widerstand und die damit aktivierte „Muskelpumpe“ scheint allerdings den Blutfluss rasch zu verbessern.
Medizinische Kompressionsstrümpfe (nicht zu verwechseln mit Stützstrümpfen) für den Unterschenkel können das Risiko tiefer Venenthrombosen verringern. Solche Kniestrümpfe sind vor allem für Reisende mit Risikofaktoren empfehlenswert und sollen mindestens zwei Stunden vor dem Start angezogen und während des gesamten Fluges getragen werden.3 Bei hohem Risiko kommt zudem eine medikamentöse Vorbeugung infrage, beispielsweise mit einem gerinnungshemmenden Heparin, das unmittelbar vor Flugbeginn unter die Haut gespritzt wird. Bei geringer Gefährdung sind Medikamente nicht zu empfehlen, da dann die Risiken – vor allem durch innere Blutungen – größer sind als der mögliche Nutzen.2 Für Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin® u.a.) gibt es übrigens keine Belege, dass sie vor Reisethrombosen schützt.
Bestimmte Faktoren erhöhen das Risiko für Venenthrombosen auf Langzeitflügen.3 Für Reisende, die längere Strecken mit dem Bus, Auto oder der Bahn zurücklegen, gilt das ebenfalls. Wer einen starken oder mehrere der in der Tabelle (Seite 6) genannten geringeren Risikofaktoren hat, sollte mit seiner Ärztin oder seinem Arzt besprechen, ob für ihn eine medikamentöse Vorbeugung in Frage kommt. Ansonsten: Beherzigen Sie unsere Vorbeugungstipps.
Stand: 1. April 2010 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2010 / S.06