Zu viel des Guten
Magensäureblocker richtig einnehmen
Säureblocker, die so genannten Protonenpumpen-Hemmer (PPI), vermindern die Säurebildung im Magen. Sie sind bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren oft nützlich, auch bei heftigem Sodbrennen (Refluxkrankheit). Doch eine langfristige Einnahme ist häufig überflüssig und hat besondere Risiken.
Protonenpumpen-Hemmer gehören mit den Cholesterinsenkern weltweit zu den am häufigsten verordneten Medikamenten. Auch in Deutschland ist der Säureblocker Omeprazol mit über 13 Millionen Packungen pro Jahr eines der am meisten verschriebenen Medikamente.1
In den USA gibt es Omeprazol sogar im Supermarkt. Dadurch ist der Eindruck entstanden, dass es sich bei Säureblockern um ganz alltägliche Gebrauchsartikel handelt. Ein Werbeslogan lautet: „Block the burn before it hits you“ (Stopp das Sodbrennen bevor es zuschlägt). Der Hersteller AstraZeneca versucht damit – leider erfolgreich – den Eindruck zu erwecken, dass man das Mittel am besten schon bei einer Vorahnung von Beschwerden einnimmt, z.B. wenn man vorhat, viel Alkohol zu trinken. In den USA werden immer mehr Protonenpumpen-Hemmer geschluckt, obwohl die Erkrankungen, bei denen sie nützen, gar nicht häufiger geworden sind. Vieles spricht dafür, dass auch bei uns Ärzte sie zu lange und zu oft verordnen. Das ist nicht ohne Risiken.
Alle Protonenpumpen-Hemmer können mit anderen Arzneimitteln Wechselwirkungen eingehen und ihre Wirkungen verstärken (z.B. Mittel gegen Epilepsie, einige Schlafmittel) oder abschwächen (z.B. Clopidogrel [Plavix® u.a.], innerliche Pilzmittel, Schilddrüsenhormone). Das muss Ihr Arzt beachten, wenn er Ihnen einen Protonenpumpen-Hemmer verschreibt. Bei Störungen der Befindlichkeit oder anderen unklaren Beschwerden, müssen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin darüber sprechen. Es könnte an einer Wechselwirkung mit anderen Arzneimitteln liegen.
Langer Gebrauch selten sinnvoll
Im Allgemeinen wird nach einer Akutbehandlung eines Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwürs ein Ausschleichen empfohlen, d.h. die Dosis wird langsam verringert. Danach wird der Säureblocker nur noch bei Bedarf eingenommen. Für eine dauerhafte, quasi lebenslange Behandlung gibt es wenig Gründe, etwa das seltene Zollinger-Ellison-Syndrom, bei dem die Säureproduktion anlagebedingt stark erhöht ist. Auch wer schon einmal ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür hatte und gerinnungshemmende Medikamente oder Kortison, Schmerzmittel oder Acetylsalicylsäure einnehmen muss, kann längere Zeit einen Protonenpumpen-Hemmer benötigen.
Seit einigen Jahren werden Säureblocker immer häufiger verordnet, ohne dass dies medizinisch hinreichend begründet werden kann. Erhebungen in Australien, Großbritannien und Irland haben gezeigt, dass bis zu zwei Drittel der Verordnungen von den bewährten Empfehlungen abweichen.2
Manche Patienten mit Oberbauchbeschwerden (und deren Ärzte) entwickeln geradezu eine „Abhängigkeit“ von den Säureblockern. Der verführerische Marketing-Slogan „Magenschutz“ trägt entscheidend dazu bei. Suggeriert er doch dem Arzt und dem Patienten Sicherheit und macht vergessen, dass die Magensäure für Verdauung und Infektabwehr wichtig ist. Jede Langzeitbehandlung mit Protonenpumpen-Hemmern ist ein tiefer Eingriff in Körperfunktionen, denn die Magensäureproduktion wird um bis zu 98% blockiert. Es mehren sich die mahnenden Stimmen, dass Ärzte diese Medikamente zurückhaltender verordnen sollten. Tatsächlich sind die niedrigste Dosis und die kürzeste Behandlungszeit, die die Beschwerden lindert, das Beste.
Die Säureblocker gelten als relativ gut verträglich. Dennoch leiden bis zu 10 von 100 Patienten an Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall, Verstopfung, Blähungen oder Hautausschlag. Selten kommt es zur Leberschädigung, Übelkeit, Verwirrtheit, Beeinträchtigung des Gedächtnisses, Störungen der Blutsalze (Natrium, Magnesium) und Veränderungen des Blutbilds.
Risiken zu langer Einnahme
Die Langzeiteffekte von Säureblockern sind bislang zu wenig erfasst. Als eines der möglichen – wenn auch sehr seltenen – Risiken gelten Nierenentzündungen. Bedeutsamer ist der Verdacht einer Zunahme von Knochenbrüchen. Normalerweise macht der saure Magensaft das Kalzium der Nahrung für den Körper verwertbar. Wird die Säureproduktion dauerhaft unterdrückt, kann dies – insbesondere bei älteren Menschen – die Kalziumaufnahme vermindern und den Knochen schaden. Dänischen und britischen Wissenschaftlern ist nach Beobachtung von mehreren tausend Patienten aufgefallen, dass unter der Langzeiteinnahme das Risiko von Knochenbrüchen (Hüfte, Wirbelkörper) um die Hälfte ansteigt.3
Darüber hinaus können Säurehemmer offenbar Infektionen mit bestimmten Bakterien (Clostridium difficile) begünstigen und so eine gefährliche Durchfallerkrankung auslösen. Normalerweise ist der obere Magen-Darm-Trakt keimarm, weil die Magensäure Bakterien in Schach hält. Die Behandlung mit einem Säureblocker kann jedoch die bakterielle Besiedelung dieser Region fördern. Dies spricht gegen eine unnötig lange Einnahme von Protonenpumpen-Hemmern.
Die verstärkte Besiedelung von Speiseröhre und Magen mit Bakterien gilt auch als möglicher Grund für Lungenentzündungen. Denn die Bakterien können in die Lunge gelangen und dort eine Infektion auslösen. Einer niederländischen Studie zufolge hatten Menschen, die Säureblocker einnahmen, ein deutlich höheres Risiko, an einer Lungenentzündung zu erkranken.4
Einfach vorbeugen
Bei Magengeschwüren, Sodbrennen oder überempfindlichem Magen kann man selbst Einiges tun, damit sich die Beschwerden rasch bessern und die Krankheit ausheilt. Essen Sie nicht zu schwer, lassen Sie das Rauchen und trinken Sie nicht übermäßig viel Alkohol. Auf spätes Abendessen zu verzichten und Übergewicht zu reduzieren, ist ebenfalls ratsam. Sodbrennen wird häufig im Liegen durch den Rückfluss von Säure aus dem Magen ausgelöst. Oft auch nachts. Wenn Sie den Oberkörper mit Kissen hoch lagern oder den Kopfteil des Bettes schräg stellen, verspüren Sie vielleicht schon Erleichterung.
Protonenpumpen-Hemmer sind sinnvolle Medikamente gegen Magengeschwüre und starkes Sodbrennen. Sie können aber eine gesunde Lebensweise nicht ersetzen. Der unnötig lange Gebrauch erhöht die Risiken.
Stand: 1. Dezember 2008 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2008 / S.03