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© Geogio Clementi/ fotolia

Schadensbegrenzung

Unerwünschte Wirkungen melden

„Keine Wirkung ohne Nebenwirkung“ besagt ein bekannter Grundsatz. Das ist wenig tröstlich. Doch können auch Sie dazu beitragen, dass mehr über Schäden durch Arzneimittel bekannt wird: Patienten dürfen und sollen unerwünschte Folgen nach einer Medikamenteneinnahme melden.

Auch bei „guten Pillen“ kommt es mitunter zu so genannten Nebenwirkungen. Nebensächlich sind die keineswegs. Korrekt heißen solche Begleiterscheinungen deshalb „unerwünschte Arzneimittelwirkungen“.

Dass über Schadwirkungen nicht gut informiert wird, ist eine bedauerliche Tatsache. Dabei sind sie gar nicht selten. In einer systematischen Unt er suchung von Patienten, die sich in Arztpraxen behandeln ließen, bekam jeder Vierte im Verlauf der ersten drei Monate nach Beginn der Behandlung unerwünschte Wirkungen zu spüren.

Schadwirkungen: Kein Thema

Schäden, die Arzneimittel anrichten, werden in der Regel weniger erforscht als die (erwünschten) Hauptwirkungen. Risiken von Medikamenten sind ein Stiefk ind in der Medizin. In Arzneimittelstudien werden nur relativ wenige Patienten beobachtet, einige hundert oder vielleicht ein- oder zweitausend. Deshalb fallen hier nur häufi ge unerwünschte Wirkungen auf. Um auch seltenere erkennen zu können, sind längere Untersuchungen mit wesentlich mehr Menschen notwendig. Solche Studien gibt es aber viel zu selten. Ein weiteres Problem: In Studien für die Zulassung eines neuen Medikaments werden meist Patienten im mittleren Lebensalter einbezogen, überwiegend Männer mit möglichst nur der Erkrankung, gegen die das Medikament helfen soll. Oft haben Menschen aber mehrere Erkrankungen und nehmen mehrere Medikamente ein. Nach der Zulassung gebrauchen zigtausende das neue Arzneimittel: Alte und Junge, Kinder und Schwangere, Diabetiker oder Menschen mit hohem Blutdruck oder anderen chronischen Erkrankungen.1

Deshalb muss das Schadenspotenzial von neuen Arzneimitteln nach der Zulassung genau überwacht werden. Die Hersteller haben daran wenig Interesse, denn es fördert nicht ihren Umsatz, wenn mehr über Schadwirkungen heraus kommt. Die meisten Ärzte machen in ihrem gesamten Berufsleben keine einzige Meldung an die zuständigen Stellen, obwohl sie dazu aufgerufen sind. Deshalb bleiben bislang unbekannte Schadwirkungen verborgen und wichtige Warnungen kommen oft viel zu spät. Manche Arzneimittel, bei denen sich erst nach und nach herausstellt, dass ihr Schaden größer ist als der Nutzen, bleiben deshalb zu lange auf dem Markt.

„Neu“ ist riskant

Wir berichteten über das Diabetesmedikament Rosiglitazon (Avandia ®), das durch Herzschädlichkeit aufgefallen war (GPSP 6/2008, S. 14; 5/2010, S. 14). Es wurde erst 2010, zehn Jahre nach der Markteinführung, aus dem Handel genommen. Trotz frühzeitiger Hinweise auf Risiken.

Die Diskussion um die Risiken von Dronedaron (Multaq®), einem Mittel zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen, flammte schon bald nach seiner Zulassung im Januar 2010 auf. Wegen schwerer Leberschäden und Todesfällen wurde die Anwendung im September 2011 stark eingeschränkt.2

Neue Arzneimittel haben mehr unbekannte Risiken als ältere. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, wenn auch Patienten – also die eigentlich Betroffenen – unerwünschte Wirkungen melden. So lässt sich schneller herausfinden, wie nützlich oder gefährlich ein Medikament tatsächlich ist. Die Europäische Union hat das Problem erkannt und empfi ehlt Patienten, unerwünschte Wirkungen jetzt auch direkt an die Behörden zu melden.3

Wie melden?

Wenn Sie glauben, dass Sie ein Medikament nicht vertragen, sollten Sie zunächst mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin darüber sprechen – auch um zu klären, was das für die weitere Therapie bedeutet. Der Arzt kann dann die Meldung für Sie machen und weitere wichtige Informationen an die zuständigen Stellen weiterleiten. Auch Apotheker können für Sie die Meldung erledigen. Genauso gut können Sie sich selbst direkt an die zuständigen Stellen wenden.4 Allerdings sind die Behörden immer noch nicht auf Berichte von Patienten vorbereitet. Es fehlen speziell geschulte Mitarbeiter. Mit der neuen europäischen Richtlinie ist die Bundesregierung aufgefordert, schnell mehr Personal zu finanzieren, damit Patientinnen und Patienten Arzneimittelschäden leichter melden können.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2012 / S.06