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©Claudia Jenkes

Kostensteigerung per Gesetz

Politik im Dienst der Pharmahersteller?

Das geplante Gesetz zur Senkung der Arzneimittelkosten (AVWG)1 wird derzeit im Bundestag diskutiert. Es könnte durch den Einfluss der Pharmaindustrie jedoch das Gegenteil bewirken: Mehr Kosten für Kassen und Patienten. Warum?

Durch so genannte Festbeträge2 können die Preise für Arzneimittel nach oben begrenzt werden. Seit zwei Jahren dürfen auch neue, noch patentgeschützte Arzneimittel in Festbetragsgruppen einbezogen werden, wenn sie nicht besser helfen als ältere Medikamente. Ausgeschlossen von der Preisbegrenzung sind derzeit nur Medikamente, die neuartig und therapeutisch besser sind.
Ändert man das Gesetz wie derzeit geplant, müssten neue Medikamente nicht mehr therapeutisch besser sein, sondern nur noch „neuartig“. Die Krankenkassen müssten „Neuerungen“ auch dann in voller Höhe bezahlen, wenn sie keine bessere Therapie bieten – egal wie teuer die Industrie sie anbietet. Für Firmen wäre es dann in ihrer Forschung nicht mehr wichtig, darauf zu achten, dass ein neues Mittel für Patienten auch tatsächlich einen zusätzlichen Nutzen bietet. Es ist zu befürchten, dass künftig noch mehr teure „Scheininnovationen“ auf den Markt kommen.

Durch eine weitere Regel werden die Preise für bestimmte Festbetragsgruppen in die Höhe getrieben. Für Arzneimittel-Gruppen mit mehr als drei gleichwertigen Wirkstoffen ist geplant, dass nicht nur von einem, sondern von mindestens zwei Wirkstoffen Arzneimittel zum Festbetrag erhältlich sein müssen. Dadurch würde nicht mehr, wie bisher, der preisgünstigste Wirkstoff den Preis der gesamten Gruppe bestimmen, sondern ein zweiter Wirkstoff, der möglicherweise erheblich teurer ist. Die Kassen müssten sowohl für die Präparate mit dem billigsten Wirkstoff als auch für ein Arzneimittel mit dem nächstteureren Wirkstoff zahlen – ohne dass Patienten einen zusätzlichen Nutzen hätten. Darüber hinaus könnten die Hersteller von Medikamenten mit dem preisgünstigsten Wirkstoff sogar problemlos ihre Preise anheben.

Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass Hersteller mit einzelnen Kassen besondere Rabatte aushandeln dürfen. Wird dies umgesetzt, wird die Situation völlig undurchsichtig: Weder Patienten noch Ärzte können dann klar erkennen, bei welchem Medikament der Patient – je nach Kasse – extra draufzahlen muss und bei welchem nicht.

Der neue Gesetzentwurf enthält auch einige positive Regeln. So sollen z.B. Ärzte zur Verschreibung von Medikamenten nur noch Computersoftware benutzen dürfen, die ohne Einfluss von Pharmafirmen programmiert wurde. Derzeit steigern einige Firmen nämlich durch manipulierte Software ihre Umsätze erheblich. Diese Programme werden Ärzten „günstig“ angeboten und verleiten dazu, die Produkte bestimmter Pharmahersteller zu verordnen.

  1. Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG)
  2. Festbeträge begrenzen die Erstattung durch die Krankenkassen. Patienten, die ein Mittel über Festbetrag verschrieben bekommen, müssen zusätzlich zur normalen Zuzahlung (Rezeptgebühr) die Preisdifferenz zum Festbetrag bezahlen. Die Festbeträge werden aber so festgelegt, dass immer Mittel ohne extra Zuzahlung erhältlich sind. Den Text des Gesetzentwurfs sowie die Stellungnahmen zur Anhörung im Gesundheitsausschuss finden Sie unter http://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/anhoerungen/006/index.html

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2006 / S.03