Zum Inhalt springen
© ImagineGolf/ iStockphoto.com

Neuer Cholesterinsenker Bempedoinsäure ohne Vorteile

Seit Ende 2020 ist ein neuer Cholesterinsenker verfügbar, der vor allem für Menschen mit sehr hohem Risiko für Herz- und Kreislauf-Erkrankungen zugelassen ist: Bempedoinsäure. Ist das Mittel wirklich eine Hilfe auf dem steinigen Weg gegen Herzinfarkt & Co?

Ein erhöhter LDL-Cholesterinwert kann, neben anderen Risikofaktoren, zu stärkerer Arteriosklerose (Gefäßverkalkungen) und in ihrer Folge zu Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen Herz-Kreislauf-Komplikationen führen. Wenn Medikamente das LDL-Cholesterin senken, bedeutet das aber nicht automatisch, dass Betroffene dann seltener Herz- oder Kreislauf-Erkrankungen bekommen oder zum Beispiel an einem Herzinfarkt sterben.

Ob es sinnvoll ist, das Cholesterin auf einen möglichst geringen Wert zu senken, ist außerdem umstritten. Deshalb sollten Studien nicht nur die Cholesterinsenkung messen, sondern auch prüfen, ob mit dem Mittel tatsächlich weniger Menschen etwa einen Herzinfarkt bekommen.

Statine – und dann?

Für Arzneimittel aus der Gruppe der Statine, die den Cholesterinwert senken, ist der Nutzen sehr gut belegt: So bekommen Menschen mit bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung, die Statine einnehmen, seltener einen Herzinfarkt. Wer einen Cholesterinsenker benötigt, erhält mit Statinen also das Mittel der Wahl. Was aber, wenn Statine nicht ausreichen? Oder sie nicht genutzt werden können, etwa wenn die Betroffenen sie schlecht vertragen? Dann stehen andere Cholesterinsenker zur Verfügung, etwa Ezetimib oder in bestimmten Fällen Evolocumab. Allerdings ist bei ihnen der Schutz vor Herzinfarkten oder Schlaganfällen deutlich schlechter belegt als bei den Statinen.

Seit Ende November 2020 steht als Cholesterinsenker in Deutschland ein weiterer Wirkstoff zur Verfügung: Bempedoinsäure. Wir haben uns einmal genauer angeschaut, was zu Nutzen und Risiken bekannt ist.1

Nicht für alle

Gleich vorneweg: Bempedoinsäure ist schon vom Zulassungsstatus her kein Mittel der ersten Wahl. Vorgesehen ist es vor allem als Zusatz zu Statinen oder anderen Cholesterinsenkern, zusätzlich zur Umstellung der Ernährung, wenn die Therapie nicht ausreicht. In der EU kann Bempedoinsäure außerdem als alleinige Behandlung eingesetzt werden, wenn Statine keine Option sind. In den USA ist der Wirkstoff als Solo-Behandlung nicht erlaubt, weil die dortige Zulassungsbehörde FDA die entsprechenden Daten aus Studien nicht für aussagekräftig hält.

Schlecht: Herzinfarktrisiko nicht geprüft

Und die Daten für den Nutzen sind recht dünn: Getestet wurde in den Zulassungsstudien nur, ob Bempedoinsäure bei Hochrisikopatient:innen zusätzlich zu einem hochdosierten Statin den Cholesterinspiegel noch stärker senkt. Das tut es, wenn auch in eher geringem Ausmaß. Nicht untersucht wurde bislang, ob das Mittel auch wirklich Herz-Kreislauf-Probleme verhindert – und das ist ja das, was am Ende zählt, nicht ob Laborwerte besser werden.

Die Auswertungen beruhen zudem vor allem auf den Daten nach einer nur drei Monate langen Behandlung. Allerdings wurden die Teilnehmenden in einigen der Studien noch weiter untersucht: Dabei zeigte sich, dass im Laufe eines Jahres der Cholesterinspiegel wieder leicht anstieg. Wie nachhaltig die Effekte von Bempedoinsäure tatsächlich sind, ist also nicht geklärt.

Fragen offen

Bempedoinsäure wurde zudem auch in Kombination mit dem Cholesterinsenker Ezetimib getestet, zusätzlich zur maximalen vertragenen Statindosis. Der Cholesterinwert sinkt zwar noch etwas mehr, doch sind die Auswirkungen auf Herz-Kreislauf­ereignisse ebenso unklar wie für Bempedoinsäure allein.

Die Hürde für die Untersuchungen zur Wirksamkeit lag auch nicht besonders hoch: In allen Studien wurde Bempedoinsäure mit einem Scheinmedikament (Placebo) verglichen. Also bleibt völlig offen, ob das Mittel gegenüber anderen Cholesterinsenkern überhaupt Vorteile bietet.

Neu, aber unnötig

Deshalb sieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) für Bempedoinsäure sowohl allein als auch in Kombination mit Ezetimib derzeit keine Vorteile. Die Studien für die Kombinationsbehandlung wurden zudem als viel zu kurz eingestuft. Der G-BA kam dann auch zu dem Urteil „kein Zusatznutzen.“ 2,3 Auch nach Einschätzung des arznei-telegramm®, einer unserer Mutterzeitschriften, bietet Bempedoinsäure für keine Patientengruppe einen Vorteil.

Und die Risiken?

Erkenntnisse zu möglichen unerwünschten Wirkungen stammen vor allem aus den Untersuchungen, in denen Bempedoinsäure als Einzelsubstanz eingesetzt wurde – für die Kombination mit Ezetimib gibt es nur spärliche Daten. Am häufigsten berichteten Teilnehmende in den Zulassungsstudien über Magen-Darm-Beschwerden. Ähnlich wie bei Statinen können Muskelschmerzen auftreten, auch erhöhte Leber- und Harnsäurewerte wurden beobachtet. Bei erhöhten Harnsäurewerten steigt das Risiko für einen Gichtanfall.

Darüber hinaus behalten die Zulassungsbehörden auch weitere mögliche unerwünschte Effekte im Auge, für die die bisherigen Daten nicht eindeutig sind. Dazu gehören Störungen der Nierenfunktion, Schäden an den Sehnen, Vergrößerung der Prostata und Vorhofflimmern.

Fazit

Bislang ist für den Cholesterinsenker Bempedoinsäure nicht belegt, dass er Menschen mit einem hohen Risiko für einen Herzinfarkt tatsächlich einen Vorteil bringt. Das gilt sowohl für den einzelnen Wirkstoff als auch für die Kombination mit Ezetimib.

Cholesterin
GPSP 1/2017, S.19

Starke Cholesterinsenkung
GPSP 2/2020, S. 4

Ezetimib
GPSP 6/2015, S. 25

Evolocumab
GPSP 5/2017, S. 10

Patientenrelevante Endpunkte
GPSP 5/2019, S. 22

Statine Muskel­schmerzen
GPSP 4/2017, S. 12

Gichtanfall
GPSP 5/2016, S. 12

Vergleichende Studien
GPSP 1/2019, S. 19

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2021 / S.04