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Überflüssige Gebärmutter?

Es ist oft nicht nötig, die Gebärmutter zu entfernen

In Deutschland wird zu viel operiert. Das Thema macht gerade in den Medien die Runde – am Beispiel von künstlichen Gelenken, Rücken- und Mandeloperationen. Andere Themen gehen dabei unter, etwa die hohe Zahl an überflüssigen Kaiserschnitten, die Sicherheit versprechen, aber Frauen am Gebären hindern, und auch die Häufigkeit von Gebärmutterentfernungen, die etwa bei Myomen seltener nötig sind. Warum Frauen sich gut informieren und genau überlegen sollten, ob eine Entfernung des Uterus, die so genannte Hysterektomie, die richtige Entscheidung ist, besprachen wir mit Barbara Ehret.

GPSP: Sie haben zuletzt auf der Jahrestagung des Arbeitskreises Frauengesundheit beklagt, dass es zu viele Gebärmutterentfernungen gibt. Warum?

Ehret: Weil die Häufigkeit wieder zunimmt! In den 90er Jahren sank die Zahl von rund 150.0002 Operationen jährlich um etwa zwei Drittel. Doch in den letzten Jahren werden wieder deutlich mehr Gebärmütter entfernt. Und wir wissen, dass das sehr oft nicht nötig ist.

GPSP: Warum ist das ein Problem? Die meisten Frauen sind zum Zeitpunkt der Operation bereits in einer Phase, wo sie Kinder haben und keine weiteren mehr wollen. Sie verlieren ein Organ, das sie nicht mehr brauchen, ihnen aber Beschwerden macht. Blutungen, Schmerzen durch Myome.

Ehret: Jede Operation, die medizinisch nicht notwendig ist, ist eine besonders problematische Form der Körperverletzung. Sie ist eine Belastung für den Organismus, und es kann Komplikationen geben, sowohl während des Eingriffs als auch danach, etwa Blutungen, Entzündungen und Fieber. Es kommt oft auch zu Hormonstörungen, die nicht immer nach ein paar Monaten aus der Welt sind. Schließlich ist die Gefahr von Eierstockzysten erhöht, und es gibt mehr Blasen- und Darmbeschwerden. Außerdem treten bei vielen Frauen die Wechseljahre früher ein – im Schnitt vier Jahre.

GPSP: Wie kommt es dazu?

Ehret: Die Gebärmutter ist über ein größeres Blutgefäß mit den Eierstöcken verbunden. Diese Verbindung wird bei der Operation gekappt, so dass die hormonproduzierenden Eierstöcke zunächst weniger gut arbeiten und der Östrogen- und Progesteron3-Haushalt durcheinander gerät. Wenn sich die Hormonproduktion nicht erholt, treten die Wechseljahre früher ein.

GPSP: Ist Frauen, die sich für die Gebärmutterentfernung entscheiden, dieser Zusammenhang klar?

Ehret: Nein, in der Regel sind sie nicht entsprechend informiert. Ich halte es sowieso für wichtig, dass Frauen sich der Bedeutung ihrer Gebärmutter – für sie als Frau – bewusst sind. Und zwar unabhängig von der Frage, ob sich darin mal ein Kind entwickelt hat oder sich noch eines entwickeln könnte.

GPSP: Wie meinen Sie das?

Ehret: Mir ist in der Nachbetreuung von operierten Frauen klar geworden, dass einige große psychische Schwierigkeiten bekommen hatten, weil sie unter ganz unerwarteten Folgen der Operation wie Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen und hormonellen Störungen litten. Besonders Frauen, die sich zu der Operation gedrängt gefühlt hatten oder sich zu schnell dazu entschlossen hatten, wurde oft erst nachträglich bewusst, was ihnen die Gebärmutter bedeutet hatte. Und dass sie ihr Frausein, mehr als gedacht, über ihre Gebärmutter definierten.

GPSP: Es fehlte plötzlich sozusagen die weibliche Mitte?

Ehret: Ja. Manche Frauen waren richtig wütend, weil sie nicht gut informiert worden waren. Andere waren niedergeschlagen, depressiv.

GPSP: Vielleicht erklären Sie uns nun zunächst, wann es richtig ist, die Gebärmutter zu entfernen, bevor wir über die unnötigen Operationen sprechen.

Ehret: Richtig ist es, wenn es sich um eine Krebserkrankung handelt, also bei Gebärmutterhals- und Gebärmutterkörperkrebs, bei Eierstockkrebs und bei dem sehr bösartigen Sarkom4. Befinden sich jedoch Tumorzellen nur in der oberen Schicht des Gebärmutterhalses, reicht meistens ein so genannter Kegelschnitt und die Gebärmutter kann erhalten werden. Doch sehr häufig wird das ganze Organ entfernt. Bei einer Senkung ist es jedoch oft nicht möglich, die Gebärmutter zu erhalten.

GPSP: Ist dazu ein großer Bauchschnitt nötig?

Ehret: Ich will es mal so formulieren: Entscheidet sich der Chirurg oder die Chirurgin für den Bauchschnitt, dann ist die Wunde zwar größer, aber das Operationsfeld sehr übersichtlich. Alternativ gibt es die Schlüssellochchirurgie – oder Laparoskopie –, bei der aber auch drei bis vier kleinere Einschnitte in die Bauchdecke gemacht werden. Durch diese hindurch arbeitet der Operateur mit langstieligen Geräten. Ist die Gebärmutter vom umliegenden Gewebe gekappt, wird sie dann über die Scheide herausgeholt.

GPSP: Und das geht?

Ehret: Das geht. Aber die Schlüssellochchirurgie ist für den Körper der Frau nicht immer schonender. Der Eingriff dauert meist länger, also auch die Narkose, die Wunde innen ist nicht kleiner und die Wundheilung nicht unbedingt besser. Vor allem brauchen die Operateure viel Erfahrung und Routine. Anfangs entstehen leicht Fehler, und selbst erfahrene Ärzte und Ärztinnen müssen manchmal die laparoskopische Operation abbrechen und dann doch konventionell weiter operieren.

GPSP: Trotz der Operationsrisiken entscheiden sich viele Frauen nicht nur bei einem bösartigen Tumor für eine Gebärmutterentfernung, sondern auch bei Myomen. Wie stehen Sie dazu?

Ehret: Myome sind gutartige Neubildungen in der Gebärmutter. Sie sind nach den medizinischen Leitlinien in der Regel kein Grund, eine Gebärmutter zu entfernen.

GPSP: Warum wurde und wird es dennoch gemacht?

Ehret: Manche Frauen bemerken Myome gar nicht, doch andere haben mehr oder weniger starke Beschwerden – zum Beispiel langanhaltende starke Regelblutungen und gelegentlich auch Schmerzen. Beides beruht darauf, dass Myome, die ja aus dem Bindegewebe entstehen, die Muskelschicht der Gebärmutter daran hindern, sich richtig zusammenzuziehen. Und diese Kontraktionen sind wichtig! Sie sorgen dafür, dass die Schleimhaut abgestoßen wird – sie ist ja überflüssig, wenn sich keine befruchtete Eizelle eingenistet hat – und bewirken, dass sich die Blutgefäße wieder ordentlich verschließen. Damit endet die Regelblutung.

GPSP: Das heißt, Myome sind ein Störfaktor. Sind sie auch gefährlich

Ehret: Nein. Sie bilden sich sowieso zurück, wenn Frauen in die Menopause kommen. Denn ihr Wachstum wird von Östrogenen gefördert und mit sinkendem Östrogenspiegel schrumpfen sie. Wie schon gesagt, sind Myome gutartige Neubildungen, aber sie können recht groß werden. „Kindskopfgroß“ heißt es oft.

GPSP: Stört das denn nicht und erfordert eine Operation?

Ehret: Manche Frauen wollen keine Operation, obwohl sich der Bauch vorwölbt und sie fast schwanger aussehen. Doch gerade diese Myome machen die geringsten Beschwerden.

GPSP: Und welche Medikamente helfen?

Ehret: Bisher gibt es keine empfehlenswerte medikamentöse Langzeittherapie. Denn wenn man hormonell die Östrogenproduktion der Eierstöcke unterbindet, damit die Myome kleiner werden, versetzt man eine Frau praktisch in die Wechseljahre. Das kommt also nicht infrage. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat letztes Jahr ein Hormonpräparat zugelassen, das das Wachsen der Gebärmutterschleimhaut behindert und die Myome verkleinert.5 Es ist bisher nur für eine dreimonatige Behandlung zugelassen.

GPSP: Also praktisch noch in einer Art Erprobungsphase. Aber es ist doch möglich, Myome zu verkleinern oder abzutrennen und dabei die Gebärmutter intakt zu lassen. Worauf sollten betroffene Frauen da achten?

Ehret: Ein neueres Verfahren ist die Embolisation, bei der unter Röntgenkontrolle das Myom dauerhaft verkleinert wird, indem man es von der Blutgefäßversorgung abkoppelt. Dazu wird die Gebärmutterarterie, die das Myom versorgt, mit winzigen Kunststoffpartikeln verstopft. Auch chirurgisch können wir gegen Myome vorgehen, und zwar werden sie über die Scheide herausgeschält oder laparoskopisch, also in der Schlüssellochmanier. Letzteres dauert bei großen oder vielen Myomen im Uterus lange – durchaus drei bis fünf Stunden. Es ist aufwendiger als die klassische Art über einen Bauchschnitt, und es blockiert lange den OP-Saal. Das heißt, dass dieses gebärmutterschonende Verfahren seltener angewendet wird. Meist wird dann gleich die Gebärmutter ganz entfernt.

GPSP: Aber das heißt auch, dass Frauen sich überlegen müssen, was ihnen wichtig ist und dass sie es vielleicht in einer anderen Klinik versuchen müssen, wenn bestimmte Wünsche nicht erfüllt werden.

Ehret: Ja, manches ist eine Frage der Klinik oder der Erfahrung, die ein Operationsteam mit dem einen oder anderen Eingriff hat. Auf jeden Fall besteht genug Zeit für eine wohlbedachte Entscheidung, so dass später ein böses Erwachen eher unwahrscheinlich ist. Es ergibt sich beispielsweise auch oft die Frage, ob bei einer Gebärmutterentfernung der Gebärmutterhals erhalten bleiben soll oder nicht.

GPSP: Warum ist das eine Frage?

Ehret: Weil es einerseits dann im Prinzip noch zu dem in unseren Breiten insgesamt sehr seltenen Gebärmutterhalskrebs kommen kann. Der kann bei den regelmäßigen Krebsvorsorgeuntersuchungen im Vorstadium früh genug entdeckt werden – also Entwarnung. Anderseits ist es von Vorteil, den Gebärmutterhals zu erhalten. Er hat eine wichtige Funktion für die Scheidendynamik und für den Beckenboden. Bleibt er erhalten, bleibt auch das Scheidengewölbe intakt, und es drohen weniger Inkontinenzprobleme. Ich sage immer: „Der Gebärmutterhals ist wie der Schlussstein ganz oben in der Kathedrale.“ Dazu kommt, dass das Nervengeflecht in dieser Region sehr aktiv ist. Es spielt eine Rolle für das sexuelle Empfinden und für die Schleimbildung.6

GPSP: Mit anderen Worten: Frauen müssen eine weittragende Entscheidung treffen, für oder gegen diese oder jene Operation. Können sie das?

Ehret: Sie sind ja nicht alleine. Es gibt Informationsbroschüren, Ratgeber, pro familia und Frauengesundheitszentren. Patientinnen mit einer Gebärmuttererkrankung, die mit ihrer Ärztin oder einem Arzt das Vorgehen besprechen, fühlen sich sicher nicht so leicht überrumpelt…

GPSP: .. wenn sie wissen, dass Gebärmutterentfernungen oft nicht nötig sind und welche Alternativen es gibt. Frau Ehret, vielen Dank für das Gespräch.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2013 / S.19