Zum Inhalt springen
© Jörg Schaaber

Lieferengpässe: Sind die Krankenkassen schuld?

Berichte über fehlende Arzneimittel häufen sich in letzter Zeit. Schuldzuweisungen oder einfach nur mehr Geld werden die Probleme nicht lösen.1

Fachleute weisen schon seit Jahren auf zunehmende Lieferschwierigkeiten hin, es handelt sich also um kein neues Phänomen. Dass in der Erkältungswelle Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder knapp wurden, hat das Thema hochkochen lassen. Noch ernster ist ein andauernder Engpass beim Brustkrebsmedikament Tamoxifen bereits seit Anfang 2022.

Obwohl die Gründe für die aktuellen Engpässe komplex sind, werden in den Medien vor allem die Festbeträge für Arzneimittel oder Rabattverträge der Krankenkassen für die Malaise verantwortlich gemacht. Sollten wir einfach alle Sparmaßnahmen abschaffen, die eingeführt wurden, um die Krankenversicherungsbeiträge nicht ins Unermessliche steigen zu lassen? So sehen es jedenfalls die Generikahersteller, die erstaunlich häufig zu Wort kommen.

Dabei würden ein paar Fakten nicht schaden. So waren in den letzten Jahren bei Rabattarzneimitteln Lieferausfälle seltener als auf dem übrigen Markt. Dass in den Verträgen eine Vorratshaltung vorgeschrieben ist, hilft hier. Auch hat die Zahl der Firmen, die Rabattarzneimittel liefern, zugenommen, eine generelle Konzentration des Marktes gibt es also nicht. Dennoch bleiben bei manchen Wirkstoffen nur noch wenige Anbieter übrig.

Im europäischen Vergleich sind die Generika-Preise hierzulande relativ hoch. Aber die Pharmabranche hat besondere Gewinnerwartungen. Mit neuen Arzneimitteln lassen sich enorme Profite erzielen, daran hat auch die Nutzenbewertung aller Neueinführungen nicht viel geändert. Da die Verdienstspannen im Generikamarkt geringer sind, versuchen Firmen, ihre Margen zu erhöhen, indem sie Wirkstoffe billig in Asien einkaufen. Dadurch werden die Lieferwege lang und störanfällig.3,4 Besonders problematisch ist, dass manche Ausgangssubstanzen nur noch in wenigen Fabriken hergestellt werden. Fällt eine aus, zum Beispiel wegen technischer Probleme, kommt es schnell zu globalen Engpässen.

Dass gehandelt werden muss, bevor es noch schlimmer wird, ist unstrittig. Dafür braucht es aber klare Regeln und Überwachung für die gesamte Lieferkette von den Rohstoffen bis zum fertigen Arzneimittel. Höhere Preise allein sind nicht die Lösung. Was sollte Pharmafirmen daran hindern, sich den Zusatzverdienst einfach in die Tasche zu stecken? Sie sind schließlich keine Wohltätigkeitsunternehmen – auch wenn sie manchmal diesen Eindruck zu erwecken versuchen.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2023 / S.27