Hilfe für die Pharmaindustrie
Wie die Branche ihr Image aufpoliert
Das Ansehen der Arzneimittelhersteller ist nicht das Beste: Kaum wirklich neue Medikamente, überhöhte Preise und fragwürdige Werbemethoden. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sann auf Abhilfe und fand beim Verlag der Wirtschaftszeitschrift Brand eins willige Helfer.
Im Sommer 2012 erhielten Abonnenten der trendigen Wirtschaftszeitschrift „Brand eins“ zusammen mit ihrem regulären Heft „Ein Magazin über die Pharmaindustrie“ mit dem Titel: „Hilfe! Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft “. Die Gestaltung des Magazins harmoniert mit dem von Brand eins. Wenigen dürfte aufgefallen sein, dass sie eine Werbebroschüre des BPI in den Händen hielten. Also nicht ein Heft „über“, sondern von der Pharmaindustrie.
Darüber verliert die „Chefredakteurin“ in ihrem Editorial kein Wort, sondern lässt sich über das negative Image der Pharmabranche aus, um dann als angebliche Motivation für das Magazin zu schreiben: „Warum sich die Redaktion auf dieses Feld begeben hat? […] Wir wollten wissen, wie sich diese Diskrepanz zwischen Produkt und Hersteller erklärt, und wer das wirklich ist – die Pharmaindustrie.“ Apropos Chefredakteurin … das ist schon Teil der Camou# age, die den Eindruck einer selbstbestimmt arbeitenden Zeitschrift erwecken soll. Hinweise auf den werbenden Charakter des Magazins sind gut versteckt, so dass man sie leicht übersieht.
Kritische Stimmen – das Sahnehäubchen
Besonders geschickt war es, eine Handvoll renommierter Kritiker der Pharmaindustrie um Kommentare zu bitten. Das vermittelt Seriosität und lässt den Rest der Publikation in einem günstigeren Licht erscheinen. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass nicht allen Fachleuten klar war, auf welche Art von Veröffentlichung sie sich einließen.
Rüge vom Presserat
Der Deutsche Presserat sieht in dem Magazin „Hilfe! Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft “ eine Irreführung. Denn für Leser sei der Eindruck erweckt worden, es handele sich um eine Sonderausgabe von Brand eins.* Damit sei die gebotene kl are Trennung von Redaktion und Werbung verletzt worden. Das oberste Selbstkontrollorgan der deutschen Presse rügte öffentlich, dass Leserinnen und Leser „über den Hintergrund der Publikation getäuscht“ wurden.
Schuld sind die anderen
„Mit der simplen Formel ‚Pharma ist schuld‘ ist es jedenfalls nicht getan“, fabuliert die „Chefredakteurin“ des Magazins. Die Pharmaindustrie sei unersetzlich, aber „oft auch ungeschickt in der Kommunikation oder im Umgang mit Ängsten und öffentlicher Kritik.“ Da greift der Brand eins Verlag doch gern mal den Medikamentenverkäufern unter die Arme und produziert ein Hochglanzmagazin, das die Branche ein bisschen lobt und ganz viele andere Schuldige für die Misere ausmacht. Dass die Abteilung des Verlages, die hauptsächlich journalistisch aufgemachte Werbeprodukte entwickelt, sich ausgerechnet Brand eins Wissen nennt, ist schon Teil der PR-Maschinerie. Denn korrekter wäre „Brand eins Werbung“ – nur würde solch ein Magazin bei vielen gleich im Altpapier landen. Dass die Leserschaft an der Nase herumgeführt wird, hat den Presserat auf den Plan gerufen. Wie sagte er so treffend: „Ein derartiges Geschäftsmodell ist geeignet, die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr zu bringen.“1
Stand: 1. Dezember 2012 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2012 / S.25