Zum Inhalt springen

Bayer-Bengel

Da hatte sich der Chef der Schutzengel-Apotheke aus dem österreichischen Linz doch eigentlich etwas mehrfach Gutes und fast schon Engelhaftes vorgenommen: Er wollte gegenüber neuen Ideen aufgeschlossen sein, die Digitalisierung in der Apotheke voranbringen und seinen Kunden zum Alter und Geschlecht passende Werbung zeigen.1

Prima. Denn das ist doch einerseits Verschwendung und andererseits für Kunden ärgerlich, wenn sie – zum Beispiel auf Bildschirmen in der Apotheke – ständig das falsche Zeugs vor die Nase gesetzt kriegen: Wollen ältere Herren denn wirklich Tampon-Werbung für jüngere Damen sehen?

Insofern hat sich der Linzer Apotheker auf einen sehr vernünftigen Deal mit dem Pharmakonzern Bayer eingelassen – ganz im Sinne seiner Schutzengel-Apotheke: Im Verkaufsraum sind – „waren“ muss es übrigens mittlerweile heißen – zwei digitale Bildschirme installiert, die nicht nur Werbung bieten, sondern per eingebauter Kamera zunächst checken, wer denn da am Tresen oder Regal steht. Mann oder Frau, alt oder jung ist, das hier die Frage.

Und wenn der PC flugs die Daten des Gesichtsscanners ausgewertet hat, folgt die passende Werbung auf dem Fuße. Wobei das mit dem „passend“ etwas übertrieben ist. Im Angebot: vier verschiedene Medikamente aus dem Hause Bayer.

Wir wollen nicht kleinlich sein: Das war ja nur ein Pilotprojekt! Die Firma Bayer hat natürlich ein paar mehr Produkte auf Lager, und die digitale Revolution kann natürlich mehr als nach Jung und Alt, Männlein und Weiblein differenzieren. Da geht also noch was!

Dumm nur, dass die Linzer Kunden und Kundinnen dem engelsgleichen Projekt nun ein Ende bereitet haben und die innovative Technik abgebaut wurde. Manche hatten nämlich tatsächlich angedroht, die Apotheke zu boykottieren.2 Und das, obwohl doch laut Bayer die neue Technologie datenschutzrechtlich zertifiziert ist. Aber das ePrivacy-Siegel war den aufmüpfigen Linzern völlig wurscht. Sie hatten offenbar den Eindruck, in ihrer Engelschutz-Apotheke könnte ein Bengel Einzug halten.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2018 / S.18