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©Annika_Ucke

Statt Hilfe Gefahr

Gepanschte Nahrungsergänzungsmittel sind wie eine Seuche, die sich in der Welt ausbreitet. Im Gegensatz zu Pest und Cholera ist sie jedoch kaum als solche zu erkennen. Die angeblich rein pflanzlichen Produkte mit denen darin enthaltenen, aber nicht deklarierten synthetischen, oft sogar gefährlichen Bestandteilen, verbreiten sich ungehindert.

Die Produkte agieren gewissermaßen aus dem Hinterhalt, ohne dass sie für Verbraucher oder Ärzte als Ursache unerwarteter Beschwerden erkannt werden können.

Kriminelle Panscher vertreiben vor allem Lifestyleprodukte, die keine harmlosen „natürlichen“ Produkte sind: Denn in ihnen stecken oft stark wirkende Bestandteile. Gerade diese Stoffe führen am ehesten dazu, dass die Produkte per Mundpropaganda als medizinisch wirkende und fälschlicherweise als rein pflanzliche Produkte weiter empfohlen werden. Zum Teil enthalten solche Nahrungsergänzungsmittel chemische Wirkstoffe, die wegen ihrer Risiken längst verboten sind. Damit werden sie für Verbraucher und Verbraucherinnen besonders gefährlich. Ein weiteres Risiko: Möglicherweise kaufen gerade diejenigen solche Mittel im Internet, die die hineingepanschten verbotenen oder verschreibungspflichtigen Wirkstoffe vermeiden wollen oder wegen bestehender Erkrankungen unbedingt vermeiden müssen.

Das Internet macht es den Anbietern leicht, nationale Vorschriften zum Verbraucherschutz auszuhebeln. Das Online-Angebot von Nahrungsergänzungsmitteln, das ständig wächst und sich verändert,  ist für nationale Behörden praktisch unmöglich zu kontrollieren. Egal aus welchem Land der Welt die Anbieter ihre Produkte verkaufen, sie können über das „World Wide Web“ die Verbraucher in allen Ländern ansprechen. Wobei sie sich aus nachvollziehbaren Gründen besonders an Interessenten in den reichen Ländern wenden. Die zahlen und fallen aus Furcht vor chemischen Arzneimitteln allzu leicht auf die vollmundigen Versprechungen dubioser Anbieter herein. Das Risiko für diese Geschäftemacher, für ihre illegalen Angebote zur Rechenschaft gezogen zu werden, ist minimal. Ihre Profite sind riesig.

Wir warnen davor, sich auf Empfehlungen und so genannte Erfahrungsberichte auf Internetseiten zu verlassen. Sie sind meist gekauft und Werbung. Sehen Sie sich die Internetseiten der Händler genau an
(siehe GPSPP 1/2016, S. 27) und kontrollieren Sie, ob die Seite ein Impressum enthält, in dem konkrete Details einschließlich Adresse des Anbieters und eine Deklaration der verantwortlichen Personen zu finden sind (siehe GPSP 5/2015, S. 14).

Sollten Sie bereits etwas bestellt und Bedenken haben, dass Ihnen das Nahrungsergänzungsmittel schlecht bekommt, Sie also Unverträglichkeiten vermuten, wenden Sie sich an die für Ihren Wohnort zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde. Das kann dazu beitragen, dass gepanschte Produkte erkannt werden. Sie erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass andere Menschen über gefährliche Panschereien informiert werden.
In den zwei Monaten seit der letzten Ausgabe von GPSP haben wir 39 weitere illegale Produkte aufgespürt. Wieder einmal dominieren Mittel, die mit erek­t­ionsfördernden Arzneistoffen wie Sildenafil, Tadalafil oder deren chemischen Varianten gepanscht sind.

Im Internet (www.gp-sp.de/heft-archiv/gepanschtes) finden Sie jetzt Näheres zu über 1.750 illegalen Nahrungsergänzungsmitteln. Damit haben Sie Zugriff auf die weltweit umfangreichste öffentlich zugängliche Datenbank zu gepanschten Produkten. Doch auch diese entspricht leider nur der Spitze des Eisbergs, weil eine systematische Überprüfung von Nahrungsergänzungsmitteln fehlt.

Mit chemischen Potenzmitteln gepanscht

Produkt: gepanscht mit

  • 7K: Yohimbin
  • Big N Hard Kapseln: Tadalafil
  • Black Mamba 2 Premium: Yohimbin (zuvor bereits als mit Sildenafil gepanscht aufgefallen)
  • Caverflo Natural Coffee: Sildenafil + Tadalafil
  • Cummor Kapseln: Desmethyltadalafil
  • Enhancerol Kapseln: Tadalafil
  • Hard Rock 3800: Yohimberindenextrakt
  • Herbal Viva: Yohimbin
  • Herbal Vivid: Yohimbin
  • LipsTenZen: Yohimbin
  • Magic Mike Enhancement Tabletten: Tadalafil
  • Max Desire: Yohimbin
  • Max Size: Yohimbin
  • Max Stamine: Yohimbin
  • Monkey Business Kapseln: Desmethyltadalafil
  • Morning Wood Liquid Gels: Tadalafil
  • One For Her: Tadalafil
  • Orgasmix: Yohimbin
  • Passion Classic: Yohimbin
  • Premium X Pulse 2000: Yohimberindenextrakt
  • Premium Pro Power 3500: Yohimberindenextrakt
  • Rectalis Kapseln: Tadalafil
  • Red Lips Premium 1 Kapseln: Yohimbin
  • Rhino Blitz Gold: Sildenafil
  • Rodeo Fantasy: Yohimbin
  • Super Panther ZK: Yohimbin
  • Tornado Kapseln: Nortadalafil
  • Up Roar Kapseln: Tadalafil
  • Wet XXX: Yohimbin
  • Xrect Kapseln: Tadalafil
  • XXL Ant 3000: Yohimberindenextrakt
  • Z Daily Kapseln: Honmosildenafil
  • Zhen Gongfu: Sildenafil
  • Zrect for men Kapseln: Tadalafil + Descarbonsildenafil

Sildenafil ist der Wirkstoff des Arzneimittels Viagra® (auch in zahlreichen Generika erhältlich) und Tadalafil der Wirkstoff von Cialis®. Die Sildenafilvariante Homosildenafil und die Tadalafilvarianten Desmethyltadalafil und Nortadalafil sind überhaupt nicht als zugelassene Arzneimittel erhältlich. Ihre Wirkungen sind daher unkalkulierbar. Die Panscherei von Nahrungsergänzungsmitteln mit solchen verschreibungspflichtigen bzw. ungeprüften Potenzmitteln ist besonders heimtückisch und kriminell. Sie gefährdet Verbraucher ganz erheblich, denn manche Menschen müssen gerade solche chemischen Erektionsförderer meiden, beispielsweise Herzkranke, die gleichzeitig Nitropräparate wie Isosorbiddinitrat (ISDN) oder ähnliche Arzneimittel gegen Angina pectoris einnehmen (GPSP 2/2013, S. 4 https://gutepillen-schlechtepillen.de/angina-pectoris/). In Kombination mit einem chemischen Erektionsförderer wie Sildenafil oder Tadalafil kann der Blutdruck lebensbedrohlich abfallen. Vor allem wer aus medizinischen Gründen chemische Erektionsförderer meiden muss, erhofft sich jedoch möglicherweise Hilfe von den als harmlos beworbenen Nahrungsergänzungsmitteln, und ist unwissentlich gefährdet, wenn er an ein gepanschtes Produkt gerät.

Yohimbin ist ein in der Rinde des Yohimbin-Baumes („Potenzholz“) natürlich vorkommender verschreibungspflichtiger Wirkstoff, der vor allem in vergangenen Jahrzehnten als libidosteigerndes Mittel (Aphrodisiakum) verwendet worden ist, ohne dass der tatsächliche Nutzen belegt ist. Auch ein Yohimbin-haltiger Extrakt der Rinde (Yohimberindenextrakt) wird verwendet. Häufige, zum Teil beträchtliche unerwünschte Wirkungen sind für Yohimbin dokumentiert, darunter Blutdruckabfall – weswegen es vor dem Ersten Weltkrieg ein gängiges Bluthochdruckmittel war –, Angst, Reizbarkeit, Schwindel, Tremor, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit u.a.

Mit chemischen Anabolika bzw. Anabolika-ähnlichen Substanzen gepanscht

Mit chemischen Anabolika bzw. Anabolika-ähnlichen Substanzen gepanscht

Produkt: gepanscht mit

  • GEC Laxoplex: Anabolika-Abkömmlinge
  • Tri-Ton: Andarin + Ostarin

Anabolika und Anabolika-ähnliche Wirkstoffe können akute Leberschäden verursachen. Langfristiger Gebrauch kann schwere unerwünschte Wirkungen bei Männern, Frauen oder Kindern auslösen, einschließlich Schrumpfung der Hoden, Unfruchtbarkeit und Brustwachstum beim Mann, Vermännlichung bei Frauen und verringertes Größenwachstum bei Kindern. Die unerwünschten Wirkungen schließen zudem unter anderem einen ungünstigen Einfluss auf die Blutfettwerte sowie ein erhöhtes Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod ein.

Mit Flibanserin gepanscht

Produkt: gepanscht mit

  • LabidaMax Kapseln: Flibanserin
  • Zrect for Women Kapseln: Flibanserin

Der ursprünglich als Antidepressivum vorgesehene Wirkstoff Flibanserin ist nach mehreren Zulassungsversuchen und mithilfe eines erheblichen Presserummels 2015 in den USA unter dem Warenzeichen Addyi® als verschreibungspflichtiges Arzneimittel in den Handel gebracht worden (GPSP 4/2015, S. 6). Es soll die Sexualfunktion von Frauen vor den Wechseljahren verbessern. Die in Studien festgestellten Effekte hierauf sind allerdings dürftig. Im Vergleich zu einem Scheinmedikament vervierfacht es allerdings die Häufigkeit von Schwindel und Dösigkeit und verdoppelt die Häufigkeit von Übelkeit. Auch Depression kann ausgelöst werden. In Verbindung mit Alkohol und vielen Medikamenten besteht die Gefahr von schwerem Blutdruckabfall und Kreislaufversagen. Jeglicher Konsum von Alkohol und bestimmten Medikamenten ist daher bei Einnahme von Flibanserin strikt untersagt. Diese Vorsichtsmaßnahmen sind jedoch bei Verwendung gepanschter Nahrungsergänzungsmittel nicht möglich, weil Flibanserin nicht auf den Packungen oder im Beipackzettel erwähnt wird und entsprechende Warnhinweise fehlen. Es handelt sich somit um lebensbedrohliche kriminelle Panschereien.

Mit chemischem Dopingmittel DMAA gepanscht

Produkt: gepanscht mit

Dust Extreme: Dimethylamylan (DMAA)

Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) hat wiederholt vor Nahrungsergänzungsmitteln gewarnt, die mit Dimethylamylamin (DMAA) gepanscht sind (GPSP 2/2014, S. 27). Der putschend wirkende Stoff gilt weltweit als Dopingmittel und ist für Sportler bei Wettkämpfen verboten. DMAA birgt zudem gesundheitliche Gefahren. Es steigert den Blutdruck und das Risiko tödlicher Herzinfarkte oder Hirnblutungen. Auch akute Hepatitis sowie weitere Leberschäden ließen sich auf den Verzehr von Nahrungsergänzungen zurückführen, die mit DMAA gepanscht waren. Wegen der auffällig gewordenen schweren unerwünschten Wirkungen ist DMAA in Europa seit etwa fünf Jahren überhaupt nicht mehr in Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt, unabhängig davon, ob der Stoff deklariert ist oder nicht. Produkte wie Dust Extreme sind daher illegal.

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2017 / S.27