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©Annika_Ucke

Riskanten Produkten ist nicht beizukommen

Immer wieder tauchen gepanschte Produkte, vor denen wir früher gewarnt haben, erneut auf. Den Kontrollen folgen offensichtlich öfter keine konsequenten Schritte, um den Handel mit den gefährlichen Produkten zu ­unterbinden.

In den zwei Monaten seit der letzten Ausgabe von GPSP haben wir 13 weitere illegale Produkte aufgespürt, die als natürliche oder pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden. In Wirklichkeit wurden in diesen jedoch stark wirksame chemische Wirkstoffe entdeckt. Drei weitere Produkte, die aktuell aufgefallen sind, finden Sie bereits seit 2013 beziehungsweise 2015 in unserer Datenbank gepanschter Produkte: Baschi Quick Slimming Kapseln, ProSolution und Strong Horses. Damals wie heute waren und sind sie mit dem Erektionsförderer Sildenafil bzw. dem Appetithemmer Sibutramin (Baschi Quick) vermengt: Das sind riskante Panschereien.

Bei zwei weiteren Produkten, in denen jetzt ebenfalls Sibutramin gefunden worden ist, ist lediglich der Name geringfügig geändert worden: Aus Easy Slim (2015) wurde mittlerweile Easy 2 Slim, und Green Lean Body Super Slim (2013) wurde zu Green Lean Body verkürzt. Umgekehrt lief es bei zwei weiteren Produkten: Bei diesen ist zwar der Name gleich geblieben, es fanden sich aktuell darin jedoch andere chemische Bestandteile als früher: In Extenze Plus steckt nun Sildenafil statt wie im Jahr 2013 Hormone, und in Slimming Kapseln findet sich neben Sibutramin (2011) heute zusätzlich das Abführmittel Phenolphthalein.

Diese Beispiele machen deutlich, wie unkalkulierbar die Zusammensetzung von angeblich natürlichen Nahrungsergänzungsmitteln ist, die viele Menschen im Internet über zweifelhafte Versandhändler beziehen (siehe zum Beispiel auch GPSP 6/2017, S. 27). Schlimm ist, dass den illegalen Angeboten offensichtlich nicht beizukommen ist: Selbst wenn Produkte als gepanscht erkannt und öffentlich gelistet werden, gelingt es den Behörden nicht, deren Vermarktung zu unterbinden. Daher informieren wir im Internet (www.gutepillen-schlechtepillen.de/gepanschtes) über die bislang entdeckten – inzwischen mehr als 2.000 – illegalen Nahrungsergänzungsmittel. So haben Sie Zugriff auf die weltweit umfangreichste öffentlich zugängliche Datenbank zu gepanschten Produkten. Doch auch diese bildet leider nur die Spitze des Eisbergs ab, weil eine systematische Überprüfung von Nahrungsergänzungsmitteln fehlt.

Mit chemischen Appetithemmern gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • BodySlim: Sibutramin
  • Baschi Quick Slimming Kapseln: Sibutramin + N-Desmethylsibutramin
  • Easy 2 Slim: Sibutramin
  • Green Lean Body Kapseln: Sibutramin + N-Desmethylsibutramin
  • In Shape: Sibutramin
  • Like Slim Coffee: Sibutramin
  • Shegan Natural Model: Sibutramin
  • Slimming Kapseln: Sibutramin + Phenolphthalein

Sibutramin: Sibutramin war 1999 bis 2010 als verschreibungspflichtiges Arzneimittel (Reductil®) im Handel. Dann musste es – längst überfällig – weltweit wegen seines Herz-Kreislauf-schädigenden Potenzials aus dem Handel gezogen werden (GPSP 2/2010, Seite 8 – https://gutepillen-schlechtepillen.de/kurz-und-knapp-endlich-sibutramin-reductil-vom-markt/). Sibutramim kann den Blutdruck und die Herzschlagrate erhöhen und gefährdet vor allem Menschen mit koronarer Herzkrankheit (Angina pectoris), Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfall in der Vorgeschichte. Es drohen Herzinfarkt, Herzstillstand, Schlaganfall u.a. Wenn gleichzeitig bestimmte andere Medikamente eingenommen werden, sind ebenfalls lebensbedrohliche Folgen möglich. Sibutramin-Varianten wie N-Desmethylsibutramin wurden niemals am Menschen untersucht. Ihre Risiken sind unbekannt, können jedoch in etwa denen von Sibutramin entsprechen.

Phenolphthalein: Die abführende Chemikalie Phenolphthalein wurde vor Jahren z.B. als Darmol® Abführschokolade verkauft. Das Abführmittel kann einen vorübergehenden Gewichtsverlust vorgaukeln, weil der Darm entleert wird. Es macht aber nicht schlank, sondern vielleicht sogar krank: Arzneimittel mit Phenolphthalein sind nämlich bereits vor vielen Jahren wegen ihres krebsauslösenden Potenzials vom Markt verschwunden. Wer langfristig ein Phenolphthalein-haltiges Mittel einnimmt, riskiert Magen-Darm-Störungen, Herzrhythmusstörungen, Krebs und andere unerwünschte Folgen.

Mit chemischem Potenzmittel gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • Black Rhino 25000: Sildenafil
  • ExtenZe Plus: Sildenafil
  • FX 75000: Sildenafil

Sildenafil ist der Wirkstoff des Arzneimittels Viagra® (auch in zahlreichen Generika erhältlich). Die Panscherei von Nahrungsergänzungsmitteln mit nicht deklarierten – also verheimlichten – verschreibungspflichtigen Arzneiwirkstoffen gegen Erektionsstörungen ist besonders heimtückisch und kriminell. Sie können Verbraucher erheblich gefährden, denn manche Menschen dürfen gerade solche chemischen Erektionsförderer nicht einnehmen. Dazu gehören Herzkranke, die gleichzeitig Nitropräparate wie Isosorbiddinitrat (ISDN) oder ähnliche Arzneimittel gegen Angina pectoris benötigen (GPSP 2/2013, S. 4 – https://gutepillen-schlechtepillen.de/angina-pectoris/). In Kombination mit einem chemischen Erektionsförderer wie Sildenafil kann der Blutdruck lebensbedrohlich abfallen. Vor allem wer aus medizinischen Gründen chemische Erektionsförderer meiden muss, erhofft sich jedoch möglicherweise Hilfe von den als harmlos beworbenen Nahrungsergänzungsmitteln und ist unwissentlich gefährdet, wenn er an ein gepanschtes Produkt gerät.

Mit chemischen Antipilzmitteln gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • Jian Pai Natural Skin Care Cream: Fluconazol + Miconazol

In dem als „natürliche“ Hautcreme bezeichneten Produkt fanden sich bei einer Überprüfung im Labor die nicht auf der Packung deklarierten – also verheimlichten – chemischen Antipilzmittel Fluconazol und Miconazol. Das verschreibungspflichtige Fluconazol wird als Arzneimittel ausschließlich in Kapseln zum Einnehmen oder als Injektionslösung vertrieben. Für Fluconazol existieren weder eine Zulassung noch hinreichende Erfahrungen aus aussagekräftigen klinischen Studien zur Anwendung in Cremes. Miconazol ist beispielsweise in einigen rezeptfreien Hautcremes im Handel. Nach dem Auftragen auf der Haut kann es zu allergischen Reaktionen, Juckreiz, Hautreizung mit Rötung, Stechen und Brennen u.a. kommen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2018 / S.27