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Gefälschte Arzneimittel – Hierzulande (noch) kein Problem

Gefälschte Arzneimittel sind in Deutschland kein relevantes Problem – zumindest derzeit nicht. Das Bundeskriminalamt erfasste zwischen 1996 und 2008 in einer Studie lediglich 49 Arzneimittelfälschungen, die in deutschen Apotheken und im Arzneimittelgroßhandel entdeckt wurden.1 Weltweit sind Arzneimittelfälschungen allerdings eine erhebliche Bedrohung der Gesundheit.

Das größte Einfallstor für gefälschte Medikamente in Deutschland ist – wie auch bei gepanschten Nahrungsergänzungsmitteln (siehe Seite 27) – das Internet. Nach Schätzung der WHO2 soll die Hälfte des online-Angebots gefälscht sein. Fälschungen können lebensbedrohliche Folgen haben. Im günstigsten Fall entspricht die Zusammensetzung der illegalen Fälschung exakt dem Original. Oft ist jedoch zu wenig, gar kein oder sogar ein anderer Wirkstoff enthalten. Und manchmal ist das gefälschte Mittel überdosiert. Die Packung und die darin enthaltenen Tabletten lassen sich oft nicht – oder nur schwer – vom Original unterscheiden.

Gefälscht werden überwiegend rezeptpflichtige Arzneimittel aus dem Lifestyle-Bereich, die teuer sind und daher besonderen Profit versprechen. Dazu zählen Potenzmittel wie Viagra®, Haarwuchsmittel (GPSP 2/2007, S. 12), leistungssteigernde bzw. muskelaufbauende Präparate und Mittel zur Gewichtsreduktion wie Appetithemmer. Die Fälschungen lassen sich meist relativ leicht herstellen, und dennoch teuer verkaufen. Deshalb ist die Gewinnspanne bei Arzneimittelfälschungen oft größer als im Drogenhandel (GPSP 4/2008, S. 14).

Bisweilen fängt der Zoll Fälschungen ab, wenn sie als Paket nach Deutschland gelangen. Das Produkt wird beschlagnahmt und im schlimmsten Fall wird für den illegalen Import3 ein Verwarnungsgeld von 35 Euro fällig. Bei Wiederholungstätern, bei größeren Mengen und beim Import von Anabolika oder Betäubungsmitteln folgt ein Bußgeldverfahren, bei gewerblichen Einfuhren ein Strafverfahren.1

Gelangen gefälschte Präparate in die etablierten Vertriebswege, gerät auch die bisher bestehende Sicherheit der in Apotheken verkauften Arzneimittel ins Wanken. Angesichts der internationalen Handelsverflechtungen scheint das Risiko zu wachsen. Kürzlich gelangte in Spanien produziertes gefälschtes Omeprazol-Ratiopharm® in den deutschen Handel und damit erstmals eine größere Menge eines Generikums. Bezogen auf den Wirkstoffgehalt stufen die Behörden die Fälschung jedoch als unbedenklich ein. In den USA wurden 2012 dagegen Packungen des Krebsmittels Bevacizumab (Avastin®) entdeckt, die überhaupt keinen Wirkstoff enthielten. Die Herkunft der Ware ließ sich bis zur Türkei zurückverfolgen. Schlimm waren auch die Folgen gefälschten Heparins, über die wir in GPSP 2/2008 (S. 8) und 3/2008 (S. 7) berichteten. Der blutgerinnungshemmende Wirkstoff wurde – aus Profitgier – aus einem minderwertigen Rohstoff hergestellt und gelangte von China aus weltweit in die Arzneimittelproduktion. Die Ware war mit den damals üblichen Routineanalysen nicht als Fälschung zu erkennen.

Zahlreiche Menschen sind deshalb gestorben. Damit gefälschte Arzneimittel nicht in die legale Verteilerkette gelangen, hat die EU 2011 eine so genannte Fälschungsrichtlinie verabschiedet. Erprobt wird derzeit ein extrem teueres aufwendiges Verfahren, mit dem die Echtheit von Arzneimittelpackungen überprüft werden könnte. Global gesehen wäre es viel wichtiger, die weltweiten Produktions- und Vertriebswege strenger zu kontrollieren. Und mit einer Preissenkung völlig überteuerter Medikamente würde auch der Hauptanreiz zur Fälschung verschwinden.4 Als Verbraucher schützt man sich am besten, indem man Medikamente nicht im Internet bestellt.5

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2013 / S.09