Farbstoffe fürs Auge: Hilft Lutein bei Makuladegeneration?
Die Makula („Gelber Fleck“) ist der Bereich der Netzhaut mit der höchsten Sehnervendichte. Wenn sie nicht mehr richtig funktioniert, wird mit fortschreitender Erkrankung das zentrale Sichtfeld und damit die Sehschärfe immer stärker eingeschränkt, bis hin zur Erblindung. Insbesondere die so genannte feuchte Form der AMD, die rasch fortschreitet, lässt sich heute mit Antikörpern, die direkt ins Auge gespritzt werden, sehr gut behandeln (GPSP 1/2014, S. 11). Dieser Beitrag hat einen anderen Fokus, es geht um den Stellenwert von Nahrungsergänzungsmitteln.
Seit langem wird diskutiert, dass eine Nahrungsergänzung mit diversen Vitaminen und Spurenelementen sowie bestimmten Fettsäuren das Fortschreiten einer AMD verzögern könnte. Die Diskussion wird bestimmt durch die US-amerikanische Studiengruppe AREDS (age related eye disease study group) des National Eye Institute (NEI), die seit vielen Jahren das Fortschreiten der Erkrankung bei fast 5.000 Menschen mit AMD kontinuierlich untersucht.2
Umfassende Studien
Die wichtigste Studie dieser Forschergruppe prüfte die Wirkung des Spurenelements Zink sowie von hochdosierten Antioxidanzien, nämlich den Vitaminen C und E sowie Beta-Carotin. Carotin ist ebenso wie Lutein ein natürlicher Farbstoff, der in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommt (siehe Kasten). Die Untersuchungsgruppe umfasste Personen im Alter von 55 bis 80 Jahren, der Untersuchungszeitraum betrug durchschnittlich etwa sechs Jahre. Das Ergebnis war positiv: Das Fortschreiten der AMD konnte in einem gewissen Umfang verlangsamt werden.
Daraus folgerte das US-amerikanische NEI, dass Menschen mit AMD die so genannte AREDS-Rezeptur „erwägen“ könnten: täglich 500 mg Vitamin C, 400 IE Vitamin E, 15 mg Beta-Carotin, 80 mg Zink als Zinkoxid und 2 mg Kupfer als Kupferoxid.3
Eine direkte Empfehlung für den Vitamincocktail mit Zink und Kupfer formuliert es aber nicht, da es auch Risiken gibt. Raucher sollten bedenken, dass Beta-Carotin wahrscheinlich das Risiko für Lungenkrebs erhöht. Das gilt auch für ehemalige Raucher und Raucherinnen
Besser mit Lutein?
Im Anschluss an die erste Untersuchung wurde die Folgestudie AREDS-2 mit rund 4.200 Teilnehmern durchgeführt.4 Sie
sollte klären, welchen Einfluss hochdosierte Präparate mit Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA 650 mg/ 350 mg) und Lutein/Zeaxanthin (10 mg/ 2 mg) haben. Verhindern sie die Entstehung von AMD oder bremsen sie ihr Fortschreiten? Die Ergebnisse wurden 2013 nach und nach veröffentlicht.
Eine Auswertung5 zeigte ein ungünstiges Ergebnis für Lutein/Zeaxanthin und Omega-3-Fettsäuren, wenn sie zusätzlich zur AREDS-Rezeptur eingenommen wurden. Es wurde kein Effekt auf die Entstehung der AMD beobachtet, dafür aber ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko.
Anders sah es aus, wenn das Beta-Carotin durch Lutein und Zeaxanthin ersetzt wurde – dann war das Lungenkrebsrisiko nicht erhöht.6 Somit könnten Lutein+Zeaxanthin ein geeigneter Ersatz für Beta-Carotin für Raucher mit AMD sein – auch für ehemalige!
Umfassende Bewertung schwierig
So wichtig die AREDS-2 Studie ist, ihre Ergebnisse sind mit Vorsicht zu betrachten. Denn die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Auswertung häppchenweise: Nahrungsergänzung mit oder ohne Zink, feuchte oder trockene AMD, Patienten ohne und nach Katarakt-Operationen und so fort. Das erschwert eine vergleichende Bewertung.
Die Kombination von Omega-3-Fettsäuren mit Zeaxanthin und Lutein scheint bei den AMD Patientinnen und Patienten den Krankheitsverlauf zumindest etwas verlangsamt zu haben. Die Entstehung von AMD konnte genau so wenig verhindert werden wie mit der ersten AREDS-Rezeptur. Der günstige Effekt von entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln scheint vor allem bei Menschen mit unausgewogener Ernährung zu Tage zu treten (siehe weiter unten).
Wer bereits an einer AMD leidet, muss sie behandeln lassen. Bei der feuchten Form ist das die bereits erwähnte gut wirksame Antikörper-Therapie.
Die trockene Form ist schwieriger zu behandeln. Wer zusammen mit seinem Augenarzt alle Möglichkeiten der günstigen Beeinflussung seines AMD-Verlaufs ausgeschöpft hat, kann Nahrungsergänzungsmittel erwägen. Einen allzu großen Effekt sollte man allerdings nicht erwarten. Für Raucher bedeutet eine Nahrungsergänzung mit Beta-Carotin ein zusätzliches Risiko, sie sollten es besser lassen.
Lutein im Essen
Die gute Botschaft ist, dass man auch mit einer gezielten Nahrungsauswahl so viel Lutein aufnimmt wie die AREDS-Forscher empfehlen. Sehr viel Lutein enthält dunkles Blattgemüse (z.B. Grünkohl bis 0,25 mg/g Frischgewicht, Spinat bis 0,12 mg/g Frischgewicht). Mit 150 g Spinat nimmt man also 18 mg Lutein zu sich. Zum Vergleich: Lutax® AMD ist ein typisches Produkt, das sich an der AREDS-Empfehlung orientiert und zur „diätetischen Behandlung von AMD“ angeboten wird. Die dort empfohlene Tagesdosis von drei Kapseln enthält 12 mg Lutein.
Das National Eye Institute weist darauf hin, dass Personen, die häufig dunkles Blattgemüse essen, ein geringeres Risiko haben, AMD zu entwickeln. Die AREDS-2 Studie bestätigt das: Eine Wirkung der zusätzlichen Einnahme von Lutein/Zeaxanthin zeigte sich nur bei denen, die wenig dunkles Blattgemüse aßen.7
Die Sorge, dass die wichtigen Farbstoffe beim Kochen zerstört werden, ist übrigens unbegründet. Untersuchungen auf den Philippinen haben kürzlich gezeigt, dass auch nach dem Kochen ausreichend Lutein und Zeaxanthin im Gemüse stecken.8 Das dürfte bei hiesigem Gemüse nicht anders sein.
Stand: 1. Oktober 2014 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2014 / S.22