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©L. Marius-Graf / Fotolia

Blinder Fleck? Auch Journalisten sitzen Pharmalobbyisten auf

Journalistinnen und Journalisten werfen auf viele Zusammenhänge einen kritischen Blick. Und das ist gut so. Aber manchmal fragen sie die Falschen. Oder schlimmer, sie lassen sich dazu bringen, die Falschen zu fragen. Und berichten dann noch das Falsche. So geschehen am 21.08.2013 in der sonst durchaus kritischen NDR-Sendung ZAPP.

Die Sendung ZAPP ist bekannt für ihre schonungslose Analyse der Medienlandschaft, wobei nach eigener Darstellung die „Vermischung von Journalismus und PR“ ein wichtiges Thema ist.1 Doch dann bringt ZAPP einen Beitrag zum seit Jahren nahezu erschöpfend diskutierten Thema der altersbedingten feuchten Makuladegeneration. Längst ist bekannt: Bevacizumab (Avastin®) ist in der Behandlung dieser Erkrankung genauso wirksam wie das Medikament Ranibizumab (Lucentis®). Kein Wunder, schließlich handelt es sich um denselben Antikörper, nur gentechnisch etwas modifiziert. Unterschiede gibt es vor allem in der Zulassung und im Preis: Lucentis® ist – im Gegensatz zu Avastin®– für die Behandlung dieser Augenerkrankung zugelassen, kostet aber das Zwanzigfache. Die Herstellerfirmen Roche und Novartis teilen sich die finanzielle Beute aufgrund vielschichtiger finanzieller sowie patentrechtlicher Verflechtungen (siehe GPSP 4/2013 S. 28). Die Unternehmen erhalten nach wie vor hierfür weltweit Schelte als besonders krasses Beispiel für die Abzockmentalität der pharmazeutischen Industrie.

So weit so schlecht. Doch dann reichte Barbara Ritzert einen Beitrag bei ZAPP ein, der anprangert, dass die Patienten in Deutschland mit Avastin® behandelt werden, und zwar auf Druck der gesetzlichen Krankenkassen und trotz der fehlenden Zulassung des Mittels für diese Augenerkrankung. Nach ihrer Ansicht ein Skandal. Nicht nur die Behandlung an sich, sondern dass so wenig in der Presse darüber berichtet wird. Im ZAPP-Interview2 empört sie sich, es liege wohl an der jüngeren Zielgruppe der Medien, dass das Thema einer Alterserkrankung nicht aufgegriffen werde und beklagt, dass berufs- und gesundheitspolitische Interessen einer Berichterstattung ebenfalls entgegenstünden.

Klingt interessant, klingt nach düsterer Verschwörung zum Nachteil der Patienten, und so ließ ZAPP dann auch Frau Ritzert munter im Interview drauflosreden. Vorgestellt wurde sie vom NDR als „Pressereferentin von Patientenverbänden“.

Was die Macher von ZAPP nicht wussten: Die erfahrene Wissenschaftsjournalistin Barbara Ritzert ist heute Inhaberin der privatwirtschaftlichen Wissenschaftsagentur ProScience Communications und ein Profi der Beeinflussung gesellschaftlicher und politischer Entscheidungen durch PR. Nach Auskunft ihrer eigenen Homepage3 bietet die Firma zielgruppenspezifische Konzepte für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, organisiert Pressekonferenzen, Seminare und Mitteilungen und realisiert für verschiedene Zielgruppen parlamentarische Abende, Expertengespräche, Patienten-Seminare und Podiums-Diskussionen. Im Zusammenhang mit ihren Aussagen zur Therapie der Makuladegeneration ist nicht erstaunlich, dass Frau Ritzert auch für die Selbsthilfeorganisation Pro Retina aktiv ist. Diese wird von Novartis und anderen Pharmaunternehmen finanziell unterstützt.4 Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Also bitte, liebe Redaktionen und Journalisten, recherchiert demnächst ein bisschen sorgfältiger, mit wem Ihr sprecht!

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2014 / S.11