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Die Lehre des Dr. Pandalis: Urheimische Medizin oder unheimliche Theorie?

Mit großem Werbeaufwand werden Nahrungsergänzungsmittel der „urheimischen Medizin“ auf den Markt gebracht – eingepackt in ein Fantasiekonzept, das seriöser Prüfung nicht ­standhält.

Urheimische Medizin ist eine Lehre, die der deutsch-griechische Unternehmer Georgis Pandalis 1988 ersonnen hat. Seine Firmen, Naturprodukte Dr. Pandalis und Dr. Pandalis Urheimische Medizin, bieten verschiedene pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel an. Im Zentrum der Lehre und Vermarktung stehen „urheimische Pflanzen“. Ernährung und Heilung sollten Pandalis zufolge auf Pflanzen beruhen, die dem Menschen seit mindestens zehn Generationen vertraut sind, also „urheimisch“. Den Menschen in China sei deshalb die Traditionelle Chinesische Medizin praktisch auf den Leib geschneidert, für unseren Kulturkreis sei sie aber unpassend. Seine Wortschöpfung erklärt der Unternehmer in einer Broschüre: „Wir Europäer brauchen unsere urheimische europäische Medizin. Sie wurzelt in der biblischen, griechischen, keltischen und germanischen Pflanzenkunde.“1

©Thomas Kunz

Medizinisch plausibel?

Die Annahme, einheimische Heilpflanzen hätten für uns Europäer einen besonderen Stellenwert, wird mit einer körperlichen Anpassung begründet. Pflanzen und Menschen hätten sich sozusagen aufeinander eingespielt. Dass Menschen individuell oft unterschiedlich auf bestimmte Heilpflanzen (und Medikamente) reagieren, ist bekannt (siehe Gendiagnostik, S. 16). Zum Beispiel wird Paracetamol bei den meisten europäischen Menschen schneller abgebaut als bei vielen Asiaten. Aber daraus lässt sich nicht verallgemeinern, dass es „den Asiaten“ oder „den Europäer“ gibt, und sich ihre Körper an ortsübliche Heilpflanzen oder Lebensmittel besonders angepasst haben.2 Dazu sind Menschen genetisch viel zu unterschiedlich. Der Arzt und Journalist Jörg Blech hat einmal treffend formuliert: „Ein Pfälzer kann einem Buschmann aus Namibia genetisch ähnlicher sein als seinem pfälzischen Skatbruder.“3

Pandalis vertreibt keine Medikamente, sondern Nahrungsergänzungsmittel, wie Tees und Granulate. Bockshornklee, Wegwarte, Bärlauch oder Kürbis werden als traditionelle Heilpflanzen beschrieben und ihnen ein positiver Effekt auf die Gesundheit nachgesagt. Das Urbitter® Bio Granulat (Wegwarte, Löwenzahn u.a.) soll „sämtliche Verdauungsreflexe im Magen-Darm-Bereich“4 aktivieren. Lefteria® (Bärlauch, Mistel, Weißdorn) soll die Herz-Kreislauf-Funktion unterstützen.

Über den sehr begrenzten Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln hat GPSP mehrfach berichtet (z.B. GPSP 1/2011, S. 12). Bedenklich wird es, wenn „Naturmedizin“ pauschal als notwendige Alternative zu einer gefährlichen pharmazeutischen Industrie inszeniert wird. Sachlich falsch ist die Behauptung, in der Bekämpfung von Aids sei „aus der jahrelangen Forschung der internationalen Konzerne nichts effektives hervorgegangen“.1 Heutzutage gibt es mehr als 30 wirksame Medikamente zur Behandlung von Menschen mit HIV-Infektion. Nur diese sichern den Patienten eine fast normale Lebenserwartung.

Ein Trick von Pandalis: Die Frage, wie wirksam denn nun seine Produkte sind, stellt und beantwortet er nicht. Vielmehr wird ganz allgemein suggeriert, Nähe zur Natur bringe Gesundheit. Die Pandalis-Produkte sind sozusagen die materialisierte und kommerzialisierte Nähe zur Natur.

Schenkt man dem Anbieter Glauben, dann sind die Pandalis-Produkte besser als vergleichbare Produkte mit den gleichen traditionellen Heilpflanzen. „Aktivierter Bockshornklee“ ist mit Weizenkeimöl, Rosmarinblättern und anderen Zutaten vermischt. Welcher Art diese „Aktivierung“ ist und welchen Nutzen sie hat, erschließt sich nicht. Pandalis hat zwar eine Liste von Studien1 veröffentlicht, die mit seinen Produkten durchgeführt worden sind. Allerdings handelt es sich beim aktivierten Bockshornklee durchweg um so genannte Anwendungsstudien (siehe GPSP 1/2014, S. 19), die nicht ver­öffentlicht wurden. Die Kleesamen seien an 27 Menschen getestet worden, lässt sich der Liste entnehmen. Wissenschaftlich seriöse Forschung mit nachprüfbaren Ergebnissen sieht anders aus.

Gericht stoppt Produktmarke

Aufschlussreich ist eine gerichtliche Auseinandersetzung um Produkte der Marke Cystus®, die aus der Zistrose hergestellt werden. Passend zur „Firmenphilosophie“ schildern die Werbematerialien, man habe aus speziellen griechischen Zistrosen (Cistus incanus) und besonderen Zubereitungen ein Produkt entwickelt, das vor Infektion mit Grippeviren schützen könne. Die Tabletten Cystus 052 Infektblocker® und Cystus 052 Gurgellösung® wurden als Medizinprodukte verkauft. Hierfür ist kein Nachweis einer Wirksamkeit nötig. 2009 hat dann allerdings ein Gericht diese Produkte als Arzneimittel eingestuft,5 obwohl Pandalis argumentiert hatte, es handle sich nicht um eine Arznei mit chemischer Wirkung, sondern die Inhaltsstoffe der Zistrose würden Viren so umschließen, dass sie den Körper nicht mehr infizieren könnten. Damit kam er nicht durch. Das Gericht hielt dem entgegen, die Werbung erwecke den Eindruck, es handle sich um ein Arzneimittel. Mit dem Urteilsspruch war nun ein Nachweis der Wirksamkeit erforderlich. 2011 wurden die Cystus-Produkte in Deutschland aus dem Verkehr gezogen.6 In Österreich und die Schweiz sind die Produkte nach wie vor erhältlich.

Könnte Pandalis Studien vorlegen, die die behauptete Wirkung – den Schutz vor Infektionen – zweifelsfrei belegen, sollte eine Zulassung als Arzneimittel in Deutschland eigentlich kein Problem sein. Die bisher vorliegenden Studien liefern aus unserer Sicht keine überzeugenden Belege für einen Nutzen.7,8,9 Aktuell im Angebot sind noch Zistrosen-Sud als Medizinprodukt sowie Halspastillen und Tee als Lebensmittel.

Bleibt noch die Frage, wie „heimisch“ die Pflanzen sind, die sich um die Lehre von Pandalis ranken. In seinem Buch1 listet er dutzende Gemüsearten und Obstsorten auf, an die sich unsere europäischen Körper seit mindestens zehn Generationen gewöhnt haben sollen (eine offenbar willkürlich gezogene Grenze). Ein kulturgeschichtlicher Blick bringt die Lehre ziemlich ins Wanken: Die „urheimische“ Kartoffel stammt aus Südamerika. In Deutschland setzte sich der Anbau erst im Laufe des 18. Jahrhunderts langsam durch. Lange enthielten die Kartoffelsorten so viel giftiges Solanin (der Giftstoff der grün gewordenen Kartoffeln), dass der Verzehr größerer Mengen Übelkeit verursachte.10 In Europa hat sich also nicht der Körper an dieses Gemüse gewöhnt, sondern man hat Kartoffeln mit besserer Verträglichkeit gezüchtet. Auch Bananen und Orangen sollen urheimisch sein, waren aber bis weit ins 20. Jahrhundert für Menschen nördlich der Alpen teure Exoten. Zu den „urheimischen Nüssen“ zählt Pandalis auch die Kola-Nuss. Sie wächst gar nicht in Europa, sondern in Zentral- und Westafrika. Außerhalb dieser Region spielte die Kola-Nuss erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Rolle: als Bestandteil von Arzneimitteln.11

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2014 / S.12