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© JoeEsco/ photocase.de

Die kleinen Blauen

Bedenkliche Wechselwirkungen von Potenzmitteln

Zu Erektionsförderern wie Sildenafil (Viagra®) greifen vorwiegend ältere Männer, also Menschen, die häufig auch andere Medikamente benötigen. Doch manche Medikamente schwächen die Wirkung solcher Potenzmittel ab, andere verstärken sie. Das kann ernste Folgen haben.

Verschiedene Umstände beeinträchtigen die Erektionsfähigkeit, manche sind seelisch, andere körperlich bedingt. Zu Letzteren gehören ein ungewöhnlich niedriger Testosteronblutspiegel, Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes sowie neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Querschnittslähmung oder die Parkinsonerkrankung. Aber auch verschiedene Medikamente können die Potenz hemmen (GPSP 2/2015, S. 8).

Der erste Wirkstoff, der als potenzsteigernde Arznei zugelassen wurde, war Sildenafil, besser bekannt unter dem Markennamen für die blauen Tabletten: Viagra®. Inzwischen gibt es weitere Arzneimittel mit Sildenafil, und neben diesen so genannten generischen Produkten auch neue Wirkstoffe. Alle sind Phosphodiesterase-5-Hemmstoffe (PDE-5-H) und greifen in die komplizierte Biologie des Erektionsvorgangs ein: Sie entspannen die kleinen Muskeln der Blutgefäße im Schwellkörper des Penis. Dadurch kann mehr Blut in den Schwellkörper einströmen, was zu einer kräftigeren und länger andauernden Erektion führt.1 Falls allerdings Nervenbahnen des Penis etwa durch eine Prostataoperation zerstört sind, bleiben all diese Mittel wirkungslos.

Die potenzsteigernden Medikamente sind – zur Sicherheit der Männer – ausnahmslos verschreibungspflichtig. Sie unterscheiden sich vor allem in ihrer Wirkungsdauer. Avanafil, Sildenafil und Vardenafil brauchen etwa eine halbe bis zu einer Stunde, bis sie wirken und die Wirkung hält dann etwa ein bis drei Stunden an. Bei Tadalafil setzt der gewünschte Effekt langsamer ein, kann aber über mehr als 24 Stunden anhalten; es wird daher auch als „Wochenendpille“ bezeichnet.

Vorsicht Risiken

Sildenafil wurde ursprünglich als Mittel gegen Bluthochdruck und Angina pectoris getestet, denn es hat generell eine gefäßerweiternde Wirkung – nicht nur am Penis. Typische unerwünschte Wirkungen sind daher Gesichtsrötung, Kopfschmerzen, Schwindel oder eine verstopfte Nase.

Außer diesen Nebenwirkungen müssen Männer wissen, dass Potenzmittel mit verschiedenen Arzneistoffen ungünstige Wechselwirkungen eingehen.2,3 Das größte Risiko sind die sogenannten Nitrate, die man zum Beispiel bei einem akuten Angina pectoris-Anfall einnehmen muss. Und einen solchen Anfall kann auch zu anstrengender Sex auslösen. Nitrate können in Kombination mit einem Potenzmittel einen akuten und bedrohlichen Blutdruckabfall verursachen.

Das kommt auch bei Medikamenten vor, die Ärzte wegen einer gutartig vergrößerten Prostata (BPH) verordnen. Zum Beispiel senken Alpha-Blocker wie Tamsulosin den Blutdruck. Und dieser Effekt wird durch Potenzmittel verstärkt. Dies ist besonders bei Tadalafil zu beachten, das auch zur Behandlung der BPH zugelassen ist.

Manche Medikamente erhöhen die Wirkung eines Potenzmittels. Der Grund hierfür: Die Erektionsförderer werden in der Leber abgebaut. Dafür ist das Enzym CYP 450-3A4 notwendig. Wenn aber Medikamente dieses Enzym hemmen, wirkt sich das zwangsläufig auf die Verstoffwechselung des Potenzmittels aus. Sie verzögert sich.

Ein Beispiel dafür ist Ritonavir, das bei HIV-Infektionen verordnet wird. Weil das Antivirusmittel die Enzymwirkung hemmt, kreist im Blut wesentlich mehr von dem erektionsfördernden Wirkstoff. Bei Sildenafil ist sie um das 11-fache erhöht, und beim Potenzmittel Vardenafil steigt die Blutkonzentration besonders stark an, fast auf das 50-fache.

Damit nehmen die erwünschten aber auch die unerwünschten Wirkungen deutlich zu. Im Falle von Vardenafil ist das besonders gefährlich, weil es dadurch zu bedrohlichen Herzrhythmus­störungen kommen kann. Übrigens: Auch Grapefruitsaft wirkt sich ungünstig auf den Abbau der potenzsteigernden Wirkstoffe aus und erhöht somit das Risiko für unerwünschte Wirkungen (siehe GPSP 3/2010, S. 3).

Allerdings gibt es auch den entgegengesetzten Effekt: Manche Arzneimittel schwächen die Wirkung von Potenzmitteln. Dazu gehören etwa das bei Lungenkrankheiten verordnete Bosentan, das bei neurologischen Störungen oder manisch-depressiver Erkrankung verordnete Carbamazepin sowie das Tuberkulosemittel Rifampicin. Unter ihrem Einfluss baut die Leber die erwähnten Potenzmittel wesentlich schneller ab.

Beratung wichtig

Da Potenzmittel in Wechselwirkung mit vielen anderen Medikamenten treten, sollten Männer sie nur nach einer ärztlichen Beratung einnehmen. Viele Nutzer bestellen sie jedoch im Internet oder sie organisieren sich die Pillen direkt im Bordell.  GPSP hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es bei Potenzmitteln aus dem Internet gleich mehrere Probleme gibt: Die Mittel können gefälscht sein. In angeblich natürlichen Produkten können PDE-5-H stecken, die nicht deklariert sind (siehe Gepanschtes, S. 27).  Selbst wenn der Online-Anbieter ein Rezept verlangt, fehlt das ärztliche Gespräch, das unerwünschte Wirkungen und Wechselwirkungen thematisiert.

Fazit

Gerade weil Männer, die Potenzmittel verwenden möchten, oft auch andere Medikamente benötigen, hält GPSP ein ausführliches Arztgespräch für unerlässlich. Denn darin lässt sich klären, ob eine Kombination problematisch ist und wie die Medikation angepasst werden kann, um Risiken zu mindern. Manchmal reicht es, die Dosis des Potenzmittels zu verändern, oder es müssen weitere Arzneimittel anders dosiert oder ausgetauscht werden.

Testosteron soll‘s richten
GPSP 2/2015, S. 19

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2017 / S.04