Zum Inhalt springen
© jacoblund/ iStockphoto.com

Dauerbrenner Blasenentzündung

Wie gut hilft Mannose?

Für manche Frauen sind Blasenentzündungen im wahrsten Sinne des Wortes ein Dauerbrenner und extrem lästig. Können Mittel mit dem Zucker Mannose den Leidensdruck senken?

Das Problem Blasenentzündung kennen viele Frauen nur zu gut: Brennen beim Wasserlassen und ständiger Harndrang. Verur­sacht werden die Beschwerden durch Darmbakterien, die in die Harnwege gelangen. Weil bei Frauen die Wege zwischen After und Ausgang der Harnröhre einerseits und die Länge der Harnröhre bis zur Blase andererseits jeweils deutlich kürzer sind als bei Männern, erwischt es sie viel häufiger.

Wer ansonsten gesund ist, überwindet eine Blasenentzündung mit viel Trinken oft in wenigen Tagen. Bei leichten Beschwerden können schon Schmerzmittel reichen, um die Symptome zu lindern, denn Blasenentzündungen haben eine hohe Selbstheilungsrate (GPSP 2/2011, S. 12). Üblicherweise verschwinden sie mit­hilfe von Antibiotika ohne wei­tere Komplikationen.

Immer wieder

Einige Frauen erkranken wiederholt an Blasenentzündungen, manche sogar mehrmals im Jahr. Manchmal hilft es dann schon, wenn sie ihr Verhalten ändern, z.B. nach dem Sex möglichst bald die Blase zu entleeren (GPSP 1/2012, S. 3). Klappt das nicht, schlägt der Arzt oder die Ärztin eventuell eine vorbeugende Behandlung mit Antibiotika über mehrere Monate vor. Die kann jedoch Nebenwirkungen mit sich bringen, und zunehmend kritisch wird die Resistenzbildung der Bakterien gesehen. In letzter Zeit werden Präparate mit Mannose als mögliche Alternative beworben. Wir haben uns einmal angesehen, wie gut Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Mittel untersucht sind.

Keine Arzneimittel

Mannose ist ein Zucker, der in Pflanzen vorkommt. Entsprechend werben Hersteller solcher Produkte auch mit dem verkaufsfördernden Zusatz „natürlich“. Die Preise liegen zwischen 15 und 35 € für 100 Gramm. Die Mittel sind nur als Nahrungsergänzungsmittel oder als Medizinprodukt erhältlich, bei denen die Anforderungen an Nutzenbelege viel geringer sind als bei Arzneimitteln.

Aus Laborversuchen geht hervor, dass Mannose an Darmbakterien binden kann. Angeblich soll das verhindern, dass sich die Erreger in der Schleimhaut der Harnwege festsetzen und eine Entzündung auslösen. Aber stimmt das auch?

Dünne Belege

In der Werbung für diese Produkte wird oft eine Studie zitiert, die Mannose zur Vorbeugung von Blasenentzündungen untersucht hat.1 Dabei nahmen die Teilnehmerinnen täglich entweder in Wasser aufgelöste Mannose ein, oder das Antibiotikum Nitrofurantoin (GPSP 2/2015, S. 12) – oder gar nichts von beiden.

Nach einem halben Jahr vergli­chen die Forscher, bei wie vielen der jeweils rund 100 Frauen in den drei Gruppen eine Blasenentzündung aufgetreten war. Von den Frauen, die nichts eingenommen hatten, bekamen im Laufe der Studie etwa 60% wieder eine Blasenentzündung. In der Mannose-Gruppe war das bei etwa 15% der Fall; in der Antibiotikum-Gruppe bei etwa 20%.

Das sieht erst einmal wie ein gewaltiger Unterschied zwischen Nichtbehandeln und Behandeln aus. Nur sind die Ergebnisse nicht besonders zuverlässig. Denn die Forscher haben in ihrer Studie keine große Sorgfalt walten lassen, so dass die Zahlen möglicherweise durch andere Faktoren verzerrt sind.

Zum Beispiel wurden die Frauen zwar formal nach dem Zufallsprinzip den Gruppen zugeteilt, allerdings mit einem Verfahren, das sehr anfällig gegenüber Manipulation ist. Vor allem: Sowohl die Frauen als auch die behandelnden Ärzte wussten, welches Mittel die Frauen einnahmen. Sind Studien aber nicht doppelblind (siehe Lexikon), kann das die Ergebnisse ebenfalls beeinflussen. Weil in der Publikation viele wichtige Details fehlen, lässt sich schwer beurteilen, ob und in welchem Maße das der Fall war.

Gleichwertigkeit fraglich

Es gibt weitere Bedenken: Die Forscher selbst merken an, dass in der Gruppe ohne vorbeugende Maßnahmen ungewöhnlich viele Frauen einen Rückfall erlitten. Eine Erklärung haben sie dafür aber nicht. Die Frage ist, ob jene Frauen, die Mannose oder das Antibiotikum einnahmen, vielleicht noch zusätzlich Tipps für Verhaltensmaßnahmen bekommen haben – und die Frauen ohne Behandlung nicht? Das wird in der Studie nicht thematisiert. Wirkt Mannose also tatsächlich genauso gut wie das Antibiotikum, was die Werbung behauptet? Das kann die lückenhafte Studie nicht belegen.

Besser verträglich?

Auch die Aussagen zu Nebenwirkungen lassen Fragen offen. In der Mannose-Gruppe haben 8% der Teilnehmerinnen Neben­wirkungen angegeben, in der Anti­biotikum-Gruppe dagegen 27%. Um diese Ergebnisse richtig einschätzen zu können, fehlen aber Informationen darüber, wie die Nebenwirkungen erfasst wurden. Wurden die Teilnehmerinnen aktiv und systematisch befragt? Oder berichteten sie von sich aus über Auffälligkeiten? Das kann sich auswirken, wenn wie in dieser Studie alle Teilnehmerinnen wissen, welches Mittel sie einnehmen. Denn Antibiotika werden von vielen Menschen kritisch beäugt, und dann kann der Nocebo-Effekt zuschlagen (siehe Artikel auf Seite 13 in diesem Heft).

Zweifelhaft erscheint auch, dass Frauen ohne Behandlung angeblich überhaupt keine der Beschwerden bemerkt haben sollen, die bei den beiden anderen Gruppen als Nebenwirkungen erfasst wurden. Wurden diese Teilnehmerinnen nicht gefragt, ob sie in der Studienzeit Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen, Hautausschlag oder Brennen in der Scheide hatten? Das wäre ein weiteres Manko der Studie, denn solche Beschwerden können auch durch andere Ursachen entstehen und müssen nicht unbedingt auf das eingenommene Mittel zurückzuführen sein.

Unbelegte Behauptungen

Vergleicht man die Werbung für mannosehaltige Produkte und die Studie, bleiben weitere Fragen offen: Warum bewirbt ein Anbieter sein Produkt neben der Vorbeugung auch zur „unterstützenden Behandlung“, wenn das in der Studie überhaupt nicht untersucht wurde? Wie kann er die Verwendung in der Schwangerschaft anpreisen, wenn schwangere Frauen explizit von der Studie ausgeschlossen waren?

Dass Mannose tatsächlich Blasenentzündungen wirksam verhindert oder die Behandlung mit Antibiotika unterstützt, ist nicht ausreichend belegt. Auch zur angeblich guten Verträglichkeit sind viele Fragen offen. Es sieht mal wieder so aus, als würden Anbieter versuchen, mit dem Leidensdruck von Frauen gute Geschäfte zu machen.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2018 / S.04