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Wechseljahre: Vorsicht mit Hormonen

Die Wechseljahre können unangenehme Begleiterscheinungen haben. Seit einigen Jahrzehnten werden Frauen zur Linderung der Beschwerden Hormone verschrieben. Seit einigen Jahren weiß man aber, dass diese Therapie mehr Schaden anrichten kann als sie nützt. Das hat sich leider weder unter den Frauenärztinnen und -ärzten, noch unter den Frauen selbst genügend herumgesprochen.

Während der Wechseljahre nimmt die Östrogenproduktion der Eierstöcke kontinuierlich ab. Die hormonelle Umstellung kann mit Beschwerden wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen einhergehen. Über Jahrzehnte verordneten Ärzte bei solchen Umstellungsproblemen Hormone, sogenannte Östrogene. Damit das Risiko für Gebärmutterkrebs nicht zunimmt, wurden die Östrogene meist mit einem Gestagen (Gelbkörperhormon) kombiniert.

Die Östrogen-Präparate sollten nicht nur Wechseljahresbeschwerden lindern, sondern angeblich gleichzeitig vor Herzinfarkt, Knochenschwund (Osteoporose) und Demenz schützen.

Aussagefähige Studien, die diese als Tatsache hingestellten Effekte belegen, gab es jedoch lange Zeit nicht. Andererseits wurden Hinweise auf ein durch die Hormone erhöhtes Brustkrebsrisiko verharmlost.

Risiken schon lange bekannt

Im Jahr 1998 ist erstmals nachgewiesen worden, dass Frauen, die bereits unter einer Verengung der Herzkranzgefäße (koronare Herzkrankheit) leiden, keineswegs durch die Einnahme von Hormonen vor einem Herzinfarkt geschützt werden. Diejenigen, die durchschnittlich vier Jahre lang solche Mittel genommen hatten, erlitten nicht seltener einen Herzinfarkt als Frauen, die ein gleich aussehendes, aber wirkungsloses Präparat (Placebo, Scheinmedikament) erhielten. Auch Todesfälle durch die Herzerkrankung waren nicht seltener. Im ersten Jahr der Einnahme waren es sogar mehr.1 Damals vermuteten die Befürworter einer Hormontherapie, dass ein schützender Effekt für das Herz erst nach noch längerer Anwendung zu erkennen wäre. Um so größer war die Aufregung, als im Sommer 2002 in den USA eine Langzeitstudie mit mehr als 16.000 gesunden Frauen vorzeitig beendet werden musste. Der Grund: Die Hormontherapie richtete eindeutig mehr Schaden an als dass sie nützte.

Häufiger Brustkrebs

Im Vergleich zu Frauen, die keine Hormone einnahmen (Kontrollgruppe), erkrankten bei den mit den Medikamenten behandelten – berechnet auf eine Million Frauen – pro Jahr 800 mehr an Brustkrebs. Erhöht war auch die Häufigkeit von Erkrankungen der Herzkranzgefäße (koronarer Herzkrankheit, 700 mehr), Schlaganfall (800 mehr) sowie von Blutpfropfen (Thrombosen) der tiefen Beinvenen und lebensbedrohlichen Blutgerinnseln in den Lungenarterien (Lungenembolien, 1.800 mehr). Im Gegensatz dazu ließen sich nur wenige günstige Effekte ausmachen: Pro Jahr 500 Oberschenkelhalsbrüche und 600 Erkrankungen an Darmkrebs weniger.2,3 Eine britische Untersuchung mit einer Million Frauen bestätigte ein Jahr später das deutlich erhöhte Brustkrebsrisiko.4

Heute empfehlen die zuständigen Behörden, Hormone nur noch bei schweren Wechseljahresbeschwerden und ausnahmsweise zur Vorbeugung von Knochenschwund zu verwenden. Dabei sollen sie so gering wie möglich dosiert und die Behandlung möglichst kurz gehalten werden. Es gibt aber keine Anwendungsdauer, die ohne Risiko ist: Von Behandlungsbeginn an steigt die Gefährdung durch Herzinfarkte, Venenthrombosen und Lungenembolien. Zudem ist zweifelhaft, ob es dauerhaft etwas bringt, die lästigen Symptome der Wechseljahre mit Hormonen zu unterdrücken. Es gibt nämlich Hinweise, dass häufig dieselben Beschwerden wieder auftreten, wenn Frauen die Arzneimittel absetzen. Offenbar verschieben die Hormone Hitzewallungen und andere Beschwerden bei Vielen nur auf einen späteren Zeitpunkt. 5

Ärzte reagieren nicht genügend

Trotz der alarmierenden Erkenntnisse zu den Risiken der Hormone haben nur weniger als 30% der Frauen, die über die Gefahren informiert waren, die Anwendung beendet. Das ergab eine 2003 durchgeführte repräsentative telefonische Befragung von 6.000 Frauen. Als häufigsten Grund für das Festhalten an der Hormontherapie geben die Befragten die Beratung durch den behandelnden Arzt an.

Viele Frauenärzte schätzen aber den Nutzen der Hormone zu hoch ein und unterschätzen die Gefahren. Nach einer aktuellen Untersuchung des wissenschaftlichen Instituts der Allgemeinen Ortskrankenkasse AOK meinen 80% der befragten 400 niedergelassenen Gynäkologen, dass die Risiken von Hormonen in den Wechseljahren überbewertet werden. Rund ein Drittel hält eine Therapie mit Hormonen auch bei Anwendungsbereichen für sinnvoll, für die ein Nutzen nachweislich fehlt oder sogar von einer Gefährdung durch die Behandlung auszugehen ist. Dies gilt beispielsweise für die Annahme, dass die Hormone vor Herzinfarkten schützen.5

Fehlinformation durch Pharma-Hersteller

Zur Fehlinformation der Frauen trägt auch die irreführende akademische Diskussion bei, auf welche Weise Hormone Brustkrebs fördern, ob sie Krebs auslösen oder „nur” das Wachstum bereits vorhandener, bislang unerkannter Tumoren begünstigen. Solche Ablenkungsmanöver verbreiten manche Hormonhersteller wie Schering (z.B. Angeliq®) oder Wyeth (z.B. Climopax®) im Internet oder in „Ratgebern”, die in Frauenarztpraxen ausliegen. Auch schalten sie Meinungsbildner (die so genannten Mietmäuler) ein, die die Risiken herunterspielen. Die Methode hat Erfolg: In der Tagespresse wurden gerade in den vergangenen Wochen zahlreiche Artikel mit Schlagzeilen wie „Hormone lösen keinen Krebs aus” veröffentlicht. Dies suggeriert eine nicht gerechtfertigte Entwarnung.

Fakt ist jedoch: Frauen, die Hormone einnehmen, erkranken deutlich häufiger an Brustkrebs als Frauen, die auf den Hormon-„Ersatz” verzichten. Wenn die Tumore entdeckt werden, sind sie zudem weiter fortgeschritten, vermutlich weil die Hormone die Strahlendichte der Brust erhöhen. Dies erschwert die Beurteilbarkeit von Mammographien und behindert somit die Diagnose. Zudem gibt es Hinweise, dass die Gefahr, an Brustkrebs zu sterben, für Frauen, die Hormone einnehmen, größer ist als für solche, die darauf verzichtet haben.5,6 Dabei ist es übrigens weitgehend unerheblich, ob die Östrogene als Pflaster oder Tablette angewendet werden, ob als „natürliches” Estradiol oder in Form so genannter konjugierter Östrogene (z.B. Presomen®) oder welches Gestagen mit dem Östrogen kombiniert wird.4

Natürliche Alternativen?

Was bleibt, ist die schwierige Frage nach Alternativen zu den klassischen Östrogenen. Verstärkt werden jetzt die aus Soja, Leinsamen, Rotklee oder Traubensilberkerze gewonnenen pflanzlichen Östrogene (Phytoöstrogene) beworben. Die bisherigen Studien lassen jedoch Zweifel am Nutzen dieser oft als „natürliche” Alternativen bezeichneten Pflanzenextrakte aufkommen. Außerdem darf „natürlich“ nicht mit „unbedenklich“ verwechselt werden. Die langfristigen Nebenwirkungen der Phytoöstrogene erscheinen uns nicht kalkulierbar: Von Bestandteilen solcher Pflanzenextrakte ist bekannt, dass sie im Tierversuch das Wachstum von hormonabhängigem Brustkrebs fördern können. Auch wurden bei Frauen nach mehrjähriger Einnahme Veränderungen an der Gebärmutter beobachtet, die typisch für Östrogene sind und einer Krebsentstehung vorausgehen. Wir halten es daher für sinnvoll, vorsichtshalber auch solche Pflanzenprodukte zu meiden. Es gibt noch einen weiteren Grund, sich nicht auf solche pflanzlichen Hormone zu verlassen. Es erscheint naheliegend, dass sie ähnlich wie oben beschrieben, das Auftreten der Beschwerden nur verschieben.

Was können Frauen nun tun?

Längst nicht jede Frau empfindet bei den Wechseljahren überhaupt Beschwerden. Treten aber unangenehme Begleiterscheinungen auf, ist es besser, sich nach nichtmedikamentösen Alternativen umzusehen. Bei Hitzewallungen sind herkömmliche Methoden wie der Gebrauch von Fächern oder Ventilatoren nützlich. Auch Selbsthilfetechniken wie Yoga, Baumwollkleidung oder Kleidung in Schichten („Zwiebelschalenprinzip”) sowie Ablenkung durch häufigeres „unter Leute gehen“ können hilfreich sein.

Solche Ratschläge kommen allerdings meist nicht gut an, nicht zuletzt, weil es bequemer und unauffälliger ist, ein Arzneimittel einzunehmen. Dies ist aber auch ein Zeichen dafür, dass die Hersteller von Arzneimitteln erfolgreich die Tendenz gefördert haben, aus natürlichen Prozessen eine behandlungsbedürftige Krankheit zu machen. Man nennt dies das „Erfinden von Krankheiten”.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2005 / S.07