Bald endgültiges Aus für Appetitzügler Amfepramon?
Ausschuss für Arzneimittelsicherheit empfiehlt wegen Risiken Widerruf der Zulassung
Zu wenig Nutzen beim Abnehmen, zu viele Risiken für Herz und Psyche: Deshalb soll der Appetitzügler Amfepramon bald verboten werden.
Im Juni 2022 hat sich der europäische Ausschuss für Arzneimittelsicherheit (PRAC) dafür ausgesprochen, dass die EU-Kommission die Zulassung des Appetitzüglers Amfepramon widerruft.1 Dieser Empfehlung ging eine längere Untersuchung voraus, in der die Fachleute vor allem Berichte und Untersuchungen zu schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen geprüft hatten.
Weniger Hunger
Amfepramon gehört zur Gruppe der sogenannten Amphetamin-Appetitzügler, die im Gehirn das Hungergefühl dämpfen. Diese wurden früher zuhauf geschluckt, sind inzwischen aber bis auf wenige Ausnahmen wegen Sicherheitsbedenken vom Markt verschwunden. So ist etwa bekannt, dass die Wirkstoffe bei längerfristiger Anwendung das Herz schädigen können, etwa die Herzklappen. Außerdem machen sie abhängig. Arzneimittel mit Amfepramon sind aktuell in der EU außer in Deutschland auch noch in Dänemark und Rumänien zugelassen.
Lange Vorgeschichte
Die Untersuchung zu Amfepramon war nicht die erste ihrer Art: Bereits 1996 und 1999 gab es Sicherheitsprüfungen zu Appetitzüglern aus dieser Gruppe. Zunächst wurde die Anwendungsdauer beschränkt und Warnhinweise in die Produktinformationen aufgenommen. Im Jahr 2000 entzog die europäische Kommission den Mitteln die Zulassung, weil die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg brachten. Diese Entscheidung wurde allerdings später durch den Europäischen Gerichtshof aus formaljuristischen Gründen widerrufen. Einige Produkte, darunter solche mit Amfepramon, blieben daher in einigen EU-Ländern weiterhin auf dem Markt.
Begrenzter Nutzen, erhebliche Risiken
Anfang 2021 startete auf Antrag von Rumänien eine erneute EU-Sicherheitsprüfung: Dabei stellte sich heraus, dass viele Patient:innen die Arzneimittel deutlich länger als die maximal empfohlenen drei Monate anwenden. Damit steigt das Risiko für Lungenhochdruck und Abhängigkeit. Auch nahmen Menschen mit Herz- oder psychiatrischen Erkrankungen sowie Schwangere die Mittel ein, für die Amfepramon gefährlich sein kann.
Zudem stufte der PRAC den Nutzen zum Abnehmen als begrenzt ein, da man nach einer Kurzzeitbehandlung rasch wieder an Gewicht zulegen kann und andere Behandlungsmöglichkeiten bei krankhaftem Übergewicht möglich sind. Deshalb gelangte der Ausschuss zu dem Fazit, dass der Schaden den Nutzen überwiegt.
Verzögerungen über Jahrzehnte
Dass Amfepramon in Deutschland überhaupt noch vermarktet wird, birgt eine eher unrühmliche Geschichte: So ist die Nachzulassung eines Mittels mit Amfepramon mehr als 30 Jahre nach dem ursprünglichen Stichtag bis heute nicht abgeschlossen, weil der Anbieter geklagt hatte. Belastbare Daten zum Nutzen fehlen weiterhin.2
Wie geht es jetzt weiter?
Weil Arzneimittel mit Amfepramon nur in einzelnen Mitgliedsstaaten – aber nicht EU-weit zugelassen sind, muss zunächst noch ein weiteres Gremium zustimmen, der Ausschuss für die gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen, bevor die EU-Kommission eine endgültige Entscheidung trifft.
- EMA (2022) Amfepramone-containing medicinal products. (Abruf 15.6.2022)
- arznei-telegramm® (2021) 52, S. 15
Stand: 1. September 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2022 / S.20