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Ausgeträumt

„Sexpille“ für Frauen

Es sollte das dicke Geschäft werden: eine Pille für sexunlustige Frauen. Oder im Fachdeutsch: für Frauen mit mangelnder Libido. Oder als medizinische Indikation: für Frauen mit der Diagnose HSDD (hypoactive sexual desire disorder = mangelndes sexuelles Verlangen der Frau). Aber es wurde ein Flop.1

Das Medikament mit dem Wirkstoff Flibanserin hat eine wahre Odyssee hinter sich: Es wurde von Boehringer Ingelheim im Rahmen der Antidepressiva-Forschung entwickelt. Als sich in Studien andeutete, dass es womöglich bei Frauen das sexuelle Verlangen steigern kann, wurde diese neue Indikation verfolgt. Doch weder als Antidepressivum noch als Libidopille bekam der Wirkstoff in Europa eine Zulassung – und wurde in die USA verkauft.
Die eigens dazu gegründete US-Firma Sprout pushte nun den Wirkstoff auf ihre Weise, etwa indem die Vorsitzende eines großen Verbands von US-Frauenorganisationen engagiert und unter dem Motto „Even the Score“ zugleich die feministische Forderung nach gleichen Rechten ausgeschlachtet wurde. „Even the Score“ bedeutetet in etwa „den Unterschied ausgleichen“ – weil es für Männer Erektionsförderer wie Viagra & Co. gibt. Die wirken aber nicht auf die Libido, sondern festigen den Penis.

Patientenorganisationen sind in den USA sehr einflussreich – wie auch öffentlichkeitswirksam auftretende Frauen – und manchmal käuflich. Schließlich erhielt Flibanserin im Frühjahr 2015 mit dem Segen einiger Experten tatsächlich von der US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung für Frauen mit (angeblich) zu wenig Libido.2

Kurz darauf machte Sprout Kasse und verkaufte das Mittel für eine Milliarde US$ an die kanadische Firma Valeant, die sich darin auskennt, die Rechte von Präparaten aufzukaufen und dann deren Preis hochzutreiben.

Doch dabei haben sich die Kanadier offenbar verzockt: 800 US$  pro Monat wollten vermutlich zu wenige Frauen (oder ihre Partner?) für Flibanserin, das frau täglich schlucken muss, ausgeben. Ganz zu schweigen von der marginalen Wirksamkeit bei all den unerwünschten Wirkungen, die sie sich damit einhandeln können (GPSP 4/2015, S. 7). Um den Flop loszuwerden, hat nun Valeant kurzerhand seine Rechte an Flibanserin fast verschenkt3, und zwar pikanterweise an frühere Anteilseigner von Sprout. Die bekommen von den Kanadiern sogar ein Darlehen von 25 Millionen US$ als Startkapital obendrauf.

Fazit

Manchmal hilft der Name nicht. Die kanadische Firma nennt sich zwar prahlerisch Valeant, was im lateinischen Verb „valere“ wurzelt und sich mit „stark sein“ oder „sich behaupten“ übersetzen lässt, gibt aber nun klein bei.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2018 / S.05