Zum Inhalt springen
© Jörg Schaaber

Arzneimittel – ein Markt für „Zitronen“

Warum neue teure Mittel oft unnötig verschrieben werden

Wenn sich ein Gebrauchtwagen entgegen der Angaben des Verkäufers als schrottreif erweist, wird das Auto in den USA als „Zitrone“ bezeichnet. Warum solche „Zitronen“ bei Arznei­mitteln dennoch erfolgreich sein können, erklären zwei nordamerikanische Wissenschaftler.

1970 entwickelte der spätere Wirt­schaftsnobelpreisträger George Akerlof die Theorie des „Marktes für Zitronen“. Damit sind allgemein Situationen gemeint, bei denen die Käufer:innen Mängel vor dem Kauf wegen fehlender Informationen nicht erkennen können.

Der Bedeutung solcher Informations-Asymmetrien bei Medikamenten sind Donald Light und Joel Lexchin nachgegangen.1 Sie machen ein ganzes Bündel von Faktoren aus, die es den Herstellern leicht machen, neue Mittel, die keine relevanten Vorteile, aber unklare Risiken haben, dennoch zu Kassenschlagern zu machen.

Das Geschäft beginnt mit Studien, die darauf angelegt sind, – oft nur scheinbare – Vorteile neuer Mittel zu zeigen, während Risiken unzureichend erfasst werden. Auch die niedrigen Anforderungen der Zulassungsbehörden machen „Zitronen“ wahrscheinlicher: Ein neues Medikament muss nur besser als ein Placebo sein, und „Verbesserungen“ von Laborwerten, die gesundheitlich nicht unbedingt relevant für Patient:innen sind, reichen aus. Außerdem werden später erkannte Risiken oft lange erfolgreich vertuscht. Wissenschaftler:innen, die auf der Gehaltsliste von Pharmafirmen stehen, schreiben bei Behandlungsleitlinien mit und leiten verkaufsfördernde Fortbildungen. Und schließlich spielt auch das Marketing eine wichtige Rolle.

Werbung statt Fortschritt

Eine Untersuchung aus Dänemark illustriert das.2 Sie nahm einen Jahrgang einer Zeitschrift, die alle Ärzt:innen im Land erhalten, unter die Lupe. In ihr wurden vier Medikamentengruppen und fünf einzelne Wirkstoffe häufig beworben.

Auch wenn in den Anzeigen ein positiver Eindruck entstand, stehen die Werbeaussagen für die Neuerungen auf dünnem Eis: Keines der angepriesenen Mittel zeigte in unabhängigen Analysen bedeutsame therapeutische Fortschritte für die Patient:innen. Manche Mittel waren schlicht nicht besser, oder es gab noch nicht mal einen Vergleich zu bisherigen Therapien. Aber die Neuen waren doppelt bis 169-mal so teuer. Um die Sicherheit war es dagegen nicht so gut bestellt: Für die neuen Mittel gab es später zehn Warnungen vor neu erkannten Risiken, dagegen aber nur eine bei den bisherigen Arzneimitteln für dieselbe Erkrankung.

Als Reaktion auf diese Analyse hat der dänische Ärzt:innenverband, der die Zeitschrift herausgibt, beschlossen, keine Anzeigen mehr abzudrucken. GPSP hält das seit Anfang an so.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2021 / S.12

Schlagwörter