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©Sven Hoppe - Fotalia.com

Rezeptpflichtige Arzneimittel

Werbung direkt beim Verbraucher?

In Deutschland ist die Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel bei Verbrauchern verboten. Aus gutem Grund: Arzneimittel sind verschreibungspflichtig, sofern ihre Anwendung ärztlichen Sachverstand erfordert, z.B. weil sie erhebliche Risiken haben. Die Europäische Kommission will es der Pharmaindustrie jetzt ermöglichen, Verbraucher direkt anzusprechen (GPSP 3/2007). Was können Verbraucher erwarten?

Eine GPSP-Redakteurin machte die Probe aufs Exempel: „Ich möchte mit der Pille verhüten und bin auf der Suche nach Informationen. Im Internet, gebe ich als Suchwort ‚Pille’ in eine Suchmaschine ein. Der erste Link ist gleich ein Volltreffer.

www.pille.com.1 Unter dem Link wird erwähnt, dass es sich um eine Seite von Bayer Schering Pharma handelt. Öffnet man die Seite, vergisst man schnell, dass es sich um eine Firmen-Webseite handelt, denn der Hinweis ist im Impressum versteckt. Scheinbar neutral erfahre ich alles, was ich so über die Pille wissen sollte. Besonders der Menüpunkt ‚Verträglichkeit’ interessiert mich. ‚Du und Deine Pille – Zwei, die sich gut vertragen.’2 Ich erfahre, dass die Pille durch und durch gut erforscht und keine Hormonbombe mehr ist, sondern vielmehr eine moderne Kombinationspille mit viel weniger Nebenwirkungen und zusätzlichen Vorteilen. Vor allem die positive Wirkung auf Haut, Gewicht und auf sogenannte prämenstruelle Beschwerden werden betont.“

Dass ausgerechnet Mittel mit dem Hormon Drospirenon hervorgehoben werden, ist kein Zufall. Bayer-Schering verkauft Pillen mit diesem Wirkstoff. Die Nebenwirkungen allerdings werden verharmlost. Drospirenon steht im Verdacht, mehr Thrombosen auszulösen als Pillen der zweiten Generation, die bewährte Gestagene enthalten wie beispielsweise Levonorgestrel.3

Ein Schaubild auf der Webseite vergleicht jedoch Thrombosen unter Pilleneinnahme mit Thrombosen, die während der Schwangerschaft oder im Wochenbett entstehen. Das ist unseriös, denn eigentlich müsste das Risiko bei der Anwendung von Drospirenon mit dem anderer Pillen und anderer Verhütungsmethoden verglichen werden. Die Hinweise auf die vermeintlich positiven Wirkungen auf Haut und Gewicht bewegen sich zudem am Rande der Legalität, denn die Pille ist nicht als Schönheitsmittel oder Kosmetikum zugelassen.

Die Beispiele zeigen, dass den Informationen von Herstellern nicht zu trauen ist. Schon jetzt wird das Werbeverbot für rezeptpflichtige Mittel gezielt unterlaufen. Sollte es, wie von der EU-Kommission aktuell vorgeschlagen, der Pharmaindustrie in Zukunft erlaubt werden, sich mit „Informationen“ zu rezeptpflichtigen Arzneimitteln direkt an die Verbraucher zu wenden, wäre der Beeinflussung Tür und Tor geöffnet. GPSP ist strikt dagegen, dass Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel direkt beim Verbraucher legalisiert wird. Hiervon profitieren die Medien (Zeitschriften, Funk, TV u.a.) und die Arzneimittelhersteller – zum Schaden der Verbraucher, die verstärkt in die Irre geführt werden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2008 / S.13