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©michalz86

Wenn’s kracht

Explodierende E-Zigaretten – mehr als ein Schreck

Viele Fragen zur gesundheitlichen Gefährdung durch elektrische Zigaretten sind noch ungeklärt. Klar ist aber, dass E-Zigaretten explodieren können. Schwere und sogar tödliche Verletzungen werden weltweit berichtet.

Bei uns haben sich viele Menschen das Rauchen abgewöhnt, junge fangen oft gar nicht erst an. Allerdings ist vor allem für technikaffine Menschen die E-Zigarette eine Art Ersatzdroge geworden. Manche finden sie sogar richtig hip.

Statt Tabak zu verbrennen, werden in E-Zigaretten Flüssigkeiten verdampft, die Nikotin und/oder Aromastoffe enthalten. Das so genannte Dampfen gilt als sauberer und weniger schädlich als Tabak, weil kein Teer mit den darin enthaltenen Giftstoffen entsteht. Manchmal werden E-Zigaretten als Möglichkeit propagiert, vom Tabakrauchen loszukommen. Dies erweist sich jedoch allzu oft als Illusion (GPSP 3/2014, S. 18). Es gibt sogar Hinweise, dass Jugendliche, die mit dem Dampfen angefangen haben, mehr Zigaretten konsumieren.1

Wie sich das Dampfen auf die Gesundheit auswirkt, ist allerdings nach wie vor unzureichend geklärt. Nicht erfasst ist zum Beispiel, welche Schadstoffe aus den vielen Liquidvarianten entstehen, mit denen E-Zigaretten befüllt werden.

Unklar ist auch, welche Folgen es hat, wenn man langfristig einen Chemiecocktail aus Lösungsmittel, Nikotin, Aroma- und sonstigen Zusatzstoffen inhaliert. Und aktuell alarmieren Berichte über explodierende E-Zigaretten.

Was passiert bei den Explosionen?

Die meisten E-Zigaretten werden mit Lithium-Ionen-Akkus hoher Energiedichte betrieben. Seit 2015 häufen sich Berichte über Akkus, die ohne vorherige Warnzeichen explodiert sind. Weltweit sind in Publikumsmedien und wissenschaftlicher Literatur mehrere Hundert solche Ereignisse beschrieben.2 Die Meldungen kommen überwiegend aus den USA.3

Die Folgen sind schrecklich: Explodiert die E-Zigarette beim Gebrauch, entstehen Verbrennungen vor allem an Mund und Gaumen, Gesicht und Hals sowie an Händen und Armen.

Lungenschäden, Knochenbrüche im Kiefer, Augenverletzungen, Erblindung und abgerissene Fingerglieder sind ebenfalls beschrieben. Zähne können ausgeschlagen, tiefe Wunden gerissen werden. Wohnungseinrichtungen sind in Flammen aufgegangen.

Explodiert die E-Zigarette in der Hosentasche,4 verursachen die Stichflammen schwere Verbrennungen und Wunden im Oberschenkelbereich.

Diese Brandwunden sind zum Teil ausgesprochen schwer, nicht zuletzt, weil hohe Temperaturen und chemische Reaktionen durch die verschiedenen Bestandteile der explodierten Akkus zusammenwirken. Lithium reagiert heftig mit Wasser unter starker Wärmeabgabe. Darum kann es leicht passieren, dass man beim Löschen und Spülen einer Wunde mit Wasser das Gewebe sogar noch stärker schädigt.

Kontrolle fehlt

Das Angebot von E-Zigaretten ist angesichts tausender Modelle und hunderter Hersteller weltweit unüberschaubar. Sie werden nicht nur vor Ort gekauft, sondern vielfach über das Internet geordert. Da E-Zigaretten keine Arzneimittel sind, ist der Markt miserabel überwacht. Dadurch erfahren Dampfer auch nicht, ob bestimmte Geräte besonders riskant und welche Fehler zu vermeiden sind. Offensichtlich ist jedoch, dass es besonders gefährlich wird, wenn man den Akku mit einem ungeeigneten Ladegerät auflädt oder die Geräte manipuliert. Wer beispielsweise versucht, die Dampfmenge – und damit die Nikotinzufuhr – durch Einbau einer stärkeren Heizspirale zu erhöhen, steigert so den Stromverbrauch und riskiert, dass die Geräte zu heiß werden und infolge der Überhitzung explodieren.

Im Internet wird zwar immer wieder behauptet, dass es bei handelsüblichen E-Zigaretten „grundsätzlich nie”5 zu einer Explosion kommen kann, das erachtet allerdings das arznei-telegramm®, eine der Mutterzeitschriften von GPSP, als verharmlosende Äußerung von Anbietern oder anderen Marktbeteiligten, die von der Problematik der Kleingeräte ablenken soll.3 Eine systematische Auswertung der bisherigen Explosionsereignisse fehlt.
Die Zahl von einigen hundert berichteten Explosionen mag in Anbetracht der zig Millionen Anwendungen gering erscheinen. Auch ist in Deutschland bislang selten über explodierte E-Zigaretten berichtet worden.6 Solche Ereignisse sind jedoch schwer kalkulierbar und somit kaum zu verhindern. Und sie sind potenziell lebensbedrohlich.

Dunkelziffer

Zweifellos müssen wir von einer beträchtlichen Dunkelziffer ausgehen, da viele Schäden wahrscheinlich gar nicht berichtet werden. Es gibt zudem keine Schätzungen dazu, wie viele Explosionen und deren Folgen in Eigenregie behandelt werden, ohne einen Arzt aufzusuchen. Und: Welche Behörde sich bei uns, im jeweils zuständigen Bundesland, um die Erfassung von Zwischenfällen mit E-Zigaretten kümmert, bleibt völlig intransparent. Den Behörden selbst ist zudem die Problematik zum großen Teil nicht bewusst.7

Formal liegt die Verantwortung für die Sicherheit der E-Zigaretten bei den Herstellern. Diese müssen nach der Tabakproduktrichtlinie seit 2016 den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten bestätigen, dass sie die volle Verantwortung für Qualität und Sicherheit der vertriebenen Erzeugnisse tragen. Eine routinemäßige Prüfung von E-Zigaretten ist jedoch mit den Regelungen nicht verbunden.

Viele Fragen zu den Risiken von E-Zigaretten bleiben offen. Klar ist jedoch: An E-Zigaretten sollte man nicht herumbasteln und nur das dafür empfohlene Ladegerät verwenden. Erhitzt sich das Gerät trotzdem oder explodiert es, sollten Betroffene oder Ärzte die zuständigen Behörden des jeweiligen Bundeslandes informieren. Diese heißen allerdings von Bundesland zu Bundesland anders, z.B. „Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz“ in Berlin oder „Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“ in Bayern. Nur über solche Meldungen können die Risiken erfasst, erkannt und womöglich verhindert werden.

Tipp: Erklärt sich eine Behörde, die Sie ansprechen, für nicht zuständig, sollten Sie darauf bestehen, dass der Vorgang an die zuständige Stelle weitergeleitet wird, und dass man Ihnen den richtigen Adressaten mitteilt.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2017 / S.25