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Was bringt die Grippeimpfung?

Alle Jahre wieder wird im Herbst zur Grippeimpfung aufgerufen. Vor allem Menschen über 60 Jahre oder mit chronischen Erkrankungen sollen von der Impfung profitieren. Aber es ist umstritten, wie groß der Schutz wirklich ist.

Schenkt man dem Robert Koch-Institut Glauben, hat die Impfung in den Grippesaisonen von 2001/02 bis 2006/07 insgesamt 5.300 grippebedingte Todesfälle verhindert. Diese Aussage beruht allerdings nicht auf nachvollziehbaren Daten:1
Es wird behauptet, dass während der winterlichen Hochsaison für Virusgrippe dank der Impfung insgesamt bis zu 50% weniger Menschen sterben. Dies ist jedoch nicht plausibel. Denn der Anteil der grippebedingten Todesfälle an der Gesamtzahl der Todesfälle nimmt in dieser Zeit lediglich um 5% bis 10% zu.

Sterblichkeit sinkt nicht

In das Bild hoher Wirksamkeit passt nicht, dass nach Berechnungen aus den USA von 1980 bis 2001 die Zahl der Todesfälle durch Virusgrippe nicht abgenommen hat. Dabei hatten sich im Verlaufe dieser zwei Jahrzehnte immer mehr ältere Menschen impfen lassen (Steigerung von 15% auf 65%).
Auch das ist auffällig: Weil sich das Grippevirus ständig verändert, wird der Impfstoff jedes Jahr neu auf die zu erwartenden Viren abgestimmt. Dies hat in der Grippesaison 1997/98 nicht geklappt. Unerwarteterweise zirkulierten andere Grippeviren als vorausgesehen, so dass die verwendeten Impfstoffe gar nicht wirken konnten. Dennoch gab es nicht auffällig mehr Todesfälle durch Grippe als in anderen Jahren.
Einiges spricht dafür, dass ausgerechnet ältere Menschen, die einen Schutz vor Virusgrippe besonders benötigen, weniger von der Impfung profitieren als jüngere. So erkrankten in einer Untersuchung lediglich 4% der geimpften Menschen über 60 Jahren an Virusgrippe. Unter den Gleichaltrigen, die lediglich eine Scheinimpfung erhielten, waren es mit 9% doppelt so viele. Doch bei über 70-Jährigen war der Nutzen deutlich geringer: In der Gruppe der Geimpften erkrankten 5,2% und unter den „Scheingeimpften“ waren es mit 6,8% nicht viel mehr.
Interessant ist eine weitere Beobachtung: Scheinbar senkt die Grippe­impfung sogar außerhalb der Grippesaison die Sterblichkeit, wenn gar keine Grippeviren kursieren. Eine mögliche Erklärung: Gesundheitsbewusste Menschen lassen sich nicht nur häufiger gegen Grippe impfen, sondern achten auch stärker auf gesunde Ernährung und andere Vorsorgemaßnahmen wie Händewaschen (siehe auch Seite 8).

Es ist erstaunlich, dass sich der tatsächliche Nutzen der weltweit empfohlenen Grippeimpfung bis heute nur unzureichend fassen lässt. Dennoch kann die Impfung weiterhin empfohlen werden. Auch wenn der Nutzen geringer ist als erwartet: Eine vorbeugende Wirkung ist prinzipell belegt, die Impfung kann die Zahl der Erkrankungen an Virusgrippe senken.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2008 / S.05