Sicherheitsbedenken: Titandioxid in Lebensmitteln
EU verbietet den Weißmacher E171 in der Nahrung
Der Lebensmittelzusatzstoff E171 macht Kaugummis und Dragees strahlend weiß. Auch in vielen anderen Lebensmitteln wie Gebäck, Marshmallows, Suppen und Nahrungsergänzungsmitteln ist Titandioxid seit Jahrzehnten enthalten. Im Laufe des Jahres 2022 muss sich das ändern: Lebensmittel mit dem Weißmacher sind ab dem Sommer verboten. Für Arzneimittel bleibt Titandioxid noch zugelassen.
Die Europäische Kommission hat am 14. Januar 2022 eine Verordnung erlassen, mit der Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff verboten wird. Nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten dürfen Lebensmittelunternehmen Produkte mit E171 in der Europäischen Union nicht mehr auf den Markt bringen.1
Erbgutschädigung nicht ausgeschlossen
Grund für das Verbot ist, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Titandioxid im Mai 2021 als nicht mehr sicher für Lebensmittel einstufte. Sie konnte anhand wissenschaftlicher Ergebnisse von Tierstudien und mechanistischen Studien nicht ausschließen, dass die Chemikalie genotoxisch wirkt, also das Erbgut in den Körperzellen schädigt.2 Das für die Lebensmittelsicherheit in Deutschland zuständige Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stimmt dem zu und betont, dass für eine abschließende Bewertung noch Wissen fehle: Es sei unklar, über welche Wege und wie stark Titandioxid das Erbgut schädigen kann, welche Rolle Eigenschaften wie seine Teilchengröße spielen und ob es krebserregend wirkt. Studien mit Menschen zu gesundheitlichen Effekten von Titandioxid gibt es nicht.3
Die Europäische Kommission gibt den Lebensmittelherstellern sechs Monate Aufschub bis zum Verbot von E171. So sollen sie genügend Zeit bekommen, ihre Produkte anzupassen. Nach Ablauf der Frist dürfen Erzeugnisse, die bereits auf dem Markt sind, noch bis zu ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft werden. Wer schon jetzt Lebensmittel mit E171 meiden möchten, kann auf die Zutatenliste auf der Verpackung achten. Zusatzstoffe müssen dort genannt sein.
Weißmacher nicht nur in Lebensmitteln
Lebensmittel sind nicht die einzige Quelle für Titandioxid. Viele Arzneimittel enthalten diesen Stoff ebenfalls. Titandioxid gelangt zwar nur in sehr geringer Menge aus dem Magen-Darm-Trakt ins Blut. Es kann aber passieren, dass sich diese Substanz in Geweben wie der Leber anreichert. Trotz des Verbots in Lebensmitteln bleibt Titandioxid in Medikamenten bis auf Weiteres zugelassen. Die Entscheidung basiert auf einer Analyse der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vom September 2021. Sie befürchtet, dass es hier durch ein Verbot zu Engpässen kommen könnte. Es müssten erst Alternativen geprüft werden. Innerhalb von drei Jahren will die Europäische Kommission die Situation neu bewerten. Das ist ein Warnsignal der Kommission an die Pharmaindustrie, möglichst schnell Produkte ohne Titandioxid zu entwickeln.
Auch Kosmetika wie Zahnpasta können den Weißmacher enthalten. Daten zur Sicherheit dieser Produkte sollen im Mai 2022 vorliegen. Dann will die Europäische Kommission den zuständigen Ausschuss mit der Risikobewertung beauftragen.
Stand: 22. Februar 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2022 / S.19