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Teurer Schutz vor Durchfallerkrankungen

Rotaviren-Schluckimpfung für alle Babys?

Seit diesem Sommer empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut, alle Säuglinge gegen Rotavirusinfektionen zu impfen.1 Die neue Schluckimpfung soll Magen-Darm-Infektionen durch das Virus bei kleinen Kindern verringern und vor allem schwere Verläufe verhindern, die im Krankenhaus behandelt werden müssen.2 Die Impfung ist unbestritten wirksam. Aber reicht dies aus, sie bereits allgemein zu empfehlen?

Vor allem Kinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren erkranken an Magen-Darm-Infektionen mit Durchfall, die auf das Konto von Rotaviren gehen. Zwischen 2001 und 2008 wurden hierzulande jährlich rund 17.600 Kinder unter fünf Jahren wegen einer Infektion mit Rotaviren im Krankenhaus behandelt. Die Kinder mussten im Schnitt zwei bis drei Tage dort bleiben. Aber: Etwa jedes elfte Kind, das aus einem anderen Grund in die Klinik kam, steckte sich erst dort mit dem Erreger an.

Bereits seit 2008 gibt es Schluckimpfstoffe: Rotarix® von GlaxoSmithKline und Rotateq® von Sanofi Pasteur MSD. Ab der sechsten Lebenswoche kann der Arzt damit ein Baby impfen, und es folgen je nach Impfstoff eine beziehungsweise zwei Wiederholungen im Abstand von vier Wochen. Das schützt neun von zehn Kindern in den ersten zwei Jahren nach der Schluckimpfung vor einer schweren Magen-Darm-Infektion durch Rotaviren und verhindert so die Zahl unangenehmer Krankenhausaufenthalte. Trotz dieser guten Wirksamkeit ist die Impfung nicht unproblematisch.3

Da sind zunächst die unerwünschten Wirkungen. Sehr häufig leiden die Kinder nach der Impfung an Fieber und Magen-Darm-Störungen mit Durchfall und Appetitlosigkeit, die bis zu jedes vierte Kind treffen können. Außerdem ist unter anderem häufig mit Blähungen, Erbrechen, Rachenentzündungen und Müdigkeit zu rechnen. Sehr selten, aber umso mehr gefürchtet, sind die so genannten Darminvaginationen. Dabei stülpt sich ein Darmabschnitt in einen anderen hinein, was schlimmstenfalls einen lebensbedrohlichen Darmverschluss zur Folge hat. Pro 100.000 Impflinge geht man bislang von ungefähr ein bis zwei zusätzlichen Ineinanderstülpungen des Darms aus. Da die Gefährdung mit dem Alter der Impflinge zunimmt, empfiehlt die STIKO „dringend“, die Impfserie frühzeitig zu beginnen und rechtzeitig abzuschließen.2

Aktuell teilt die australische Gesundheitsbehörde mit, dass die Gefährdung bei sechs oder sogar mehr zusätzlichen Ineinanderstülpungen bezogen auf 100.000 Impflinge liegen könnte.4 Dazu muss man wissen, dass in den USA vor einigen Jahren ein Vorläuferimpfstoff gegen Rotaviren (Rotashield®) vom Markt genommen werden musste, weil dieser bei 10 bis 20 von 100.000 Impflingen solche Komplikationen ausgelöst hatte.3

Ein anderer wesentlicher Kritikpunkt: Eigentlich sollten Kosten kein vorrangiger Grund sein, der gegen eine Impfung spricht. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob eine Maßnahme und der Einsatz großer finanzieller Mittel angemessen ist. Denn die Ressourcen sind begrenzt. Rotavirusimpfstoffe sind leider weit davon entfernt, kosteneffektiv zu sein. Gesundheitsökonomen haben ausgerechnet, dass die Schluckimpfung zwar Kosten einspart (weniger schwere Durchfall-Erkrankungen, weniger Klinikaufenthalte), aber in Deutschland dennoch Mehrkosten von etwa 45-48 Millionen € pro geimpftem Jahrgang anfallen.5 Das liegt an den hohen Impfstoffpreisen von derzeit 110 € bis 135 € pro Kind und abgeschlossener Immunisierung. Erst wenn die Anbieter diese um rund zwei Drittel senken würden, wäre die Impfung nach gesundheitsökonomischen Analysen im grünen Bereich, stellt selbst die STIKO, die ja die Impfung empfiehlt, fest.2

Durchfallerkrankungen verlaufen bei uns – im Gegensatz zu Ländern der Dritten Welt – nur äußerst selten tödlich und hinterlassen fast nie bleibende Schäden. Unerwünschte Wirkungen der Schluckimpfung kommen zwar sehr häufig vor, sind aber nur sehr selten lebensbedrohlich. Dass alle Babys routinemäßig die Rotavirus-Schluckimpfung bekommen, wird hierzulande nicht durchgängig befürwortet.3 Bevor nun ganze Jahrgänge von Säuglingen routinemäßig die Impfung erhalten, also mehr als 600.000 Säuglinge pro Jahr, wären Preisverhandlungen mit den Impfstoffanbietern sinnvoll gewesen. Diese Chance wurde vertan.

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2013 / S.25