Tausende Gesundheits-Apps… aber ohne Garantie
Weltweit sollen bis zu 200.000 gesundheitsbezogene Apps in iOS- und Android-Stores erhältlich sein. Ein Zehntel davon in deutscher Sprache, so die Schätzung. Vom Kalorienzähler zur Fitness-App bis hin zu solchen, die Diabetikern mit Hilfe von Tagebuch und Statistiken das Leben vereinfachen sollen. Ob das alles wirklich was nützt, ist fraglich. Aber es macht vielleicht Lust und Laune, auf dem Smartphone oder Tablet damit herumzuspielen. Und zumindest dürften solche Apps in der Regel keinen gesundheitlichen Schaden anrichten. Es gibt aber auch riskante Apps.
Einige Apps bergen ein Gefährdungspotenzial, weil sie medizinische Behandlungen beeinflussen können. Manche berechnen beispielsweise die aktuell benötigte Insulindosis oder die Dosierung anderer Arzneimittel. Der Haken an solchen hilfreich erscheinenden Apps: Allgemeingültige Regeln für deren inhaltliche Qualität und eine funktionierende Kontrollinstanz fehlen.1
Von Apps, die Pharmaunternehmen für Fachkreise anbieten, etwa für Ärzte und Ärztinnen, sollte man erwarten, dass sie zuverlässig funktionieren. Aber es gibt fehlerhafte Produkte. So musste die Pharmafirma Pfizer 2011 einen Kalkulator zurückziehen, der dem Arzt helfen sollte, die Krankheitsaktivität rheumatischer Erkrankungen zu bestimmen.2 Und 2014 rief die zur Teva-Gruppe gehörende Pharmafirma Mepha eine neue App bereits nach zwei Wochen aus den App-Stores zurück. Mit ihr sollte die Dosis von Antibiotika berechnet werden.3 Aufgrund fehlerhafter Programmierung machten beide Apps jedoch bisweilen falsche Angaben.
Wenn fehlerhafte Apps aus dem Angebot herausgenommen werden, ist das Problem noch nicht aus der Welt. Schließlich müssten sie auch von den Smartphones und Tablets der Anwender verschwinden, damit sie künftig keinen Schaden anrichten können. Alternativ könnten sie durch fehlerfreie Nachfolgeprodukte ersetzt werden. Vor allem aber: Wer haftet für Schäden durch fehlerhafte Apps, wenn etwa die empfohlene Dosierung falsch war? Die Anbieter medizinischer Apps dürften in der Regel – „dank“ ihrer Nutzungsbedingungen – eine Haftung für ihre Produkte ausschließen. Wer sich eine solche App herunterlädt und ausprobiert, handelt also auf eigenes Risiko.
In den USA wird das Problem jetzt angegangen. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sieht vor, gesundheitsbezogene Apps mit Risikopotenzial zu überprüfen.4 In Europa fehlt sowohl der Überblick, wie viele und welche solcher Apps in Umlauf sind, als auch eine effektive behördliche Kontrolle, die Medizinprodukte mit Risikopotenzial zulässt und überwacht. Denn zu dieser Sparte zählen auch alle Apps, die Therapien beeinflussen. Eine zentrale Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten mit Risikopotenzial – also beispielsweise auch von Gelenkimplantaten und Silikonbrustkissen (GPSP 1/2012, S. 14) – ist in Europa derzeit politisch nicht erwünscht, erscheint uns jedoch dringend erforderlich.
Stand: 1. August 2014 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2014 / S.17