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Raucherentwöhnung Schluss-Punkt-Methode

Champix® zur Raucherentwöhnung

Nikotin ade?

Viele Menschen, die für immer das Rauchen aufgeben, schaffen das mit dem Kopf: Ausschlaggebend war allein ihre Entscheidung, nicht mehr zur Zigarette greifen zu wollen. Medikamente wie die Neueinführung Vareniclin (Champix®) versprechen Hilfe.

Die Schluss-Punkt-Methode, auch kalter Entzug oder cold turkey1 genannt, ist offenbar besser als ihr Ruf. Das geht aus Befragungen in Australien hervor, wo 77% der Ex-Raucher damit den Ausstieg hingekriegt haben.2 Der schöne Nebeneffekt: Der kalte Entzug kostet nichts. Nikotinentwöhnungspräparate aber sind teuer.

Wer versucht, von der Zigarette loszukommen und dann unter Nikotinmangel leidet, kann den Ausstieg mit Ersatzpräparaten wie Nikotinpflaster oder Nikotinkaugummi abfedern. Sie wirken auf die Nikotinrezeptoren im Gehirn ähnlich wie Nikotin aus Tabakrauch und sorgen für eine stimulierende Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin.

Zusätzlich gibt es seit dem Jahr 2000 Zyban® Tabletten mit dem Wirkstoff Bupropion. Dieses Mittel enthält kein Nikotin. Es soll die Wiederaufnahme von Dopamin behindern, sodass der aus der Nervenzelle ausgeschüttete Botenstoff länger wirkt. Das Bedürfnis zu rauchen, könnte dadurch abnehmen – so die Annahme.

Mit dem Präparat Champix®, das den Wirkstoff Vareniclin ent­hält, ist im März ein weite­res Mittel auf den Markt gekommen, das die Nikotinentwöhnung erleichtern soll. Offenbar bindet Vareniclin an Nikotin­rezeptoren im Gehirn, stimuliert ­diese gleichzeitig aber deutlich weniger als Nikotin. Das soll für den angehenden Nichtraucher zwei Vorteile haben: Rauchverlangen und Entzugssymptome sollen abnehmen. Gleichzeitig blockiert Vareniclin den Rezeptor, sodass beim „verbotenen“ Rauchen die Nikotinbindungsstellen schon besetzt sind und das durch Nikotin hervorgerufene Wohlgefühl ausbleibt. Soweit die Theorie.

Die Realität ist weniger überzeugend, wenn man Nutzenbelege und die Störwirkungen des neuen Präparats betrachtet.3

Einnahmemodus

Drei Monate lang soll zweimal am Tag eine Tablette zu je 1 Milligramm Vareniclin eingenommen werden. Die Kosten für eine tägliche Dosis (3,59 €) sind fast so hoch wie für eine Schachtel Zigaretten, was Entwöhnungswillige wenig mo­tivieren dürfte. Die gesetzlichen Krankenkassen erstattenRaucherentwöhnungsmittel nicht.

Wirkung

Die Wirksamkeit ist bisher nur in Studien überprüft worden, an denen der Hersteller Pfizer beteiligt war. Wirklich überzeugend sind die Ergebnisse nicht, denn dass 44% der Teilnehmer – die ja alle mit dem Rauchen aufhören wollten – am Ende der dreimonatigen Einnahme noch ohne Zigarette auskommen, ist nicht so überraschend, wenn man bedenkt, dass sie während der Entwöhnung regelmäßig psychologisch unterstützt wurden. Auf 30% entwöhnte Raucher kam man in der Vergleichsgruppe, die bei gleicher Betreuung das Konkurrenzmittel Bupropion geschluckt hatten. Immerhin 18% der Teilnehmer, die nur ein Plazebo geschluckt hatten, hörten auch zu rauchen auf. Besonders wichtig ist aber, ob es wirklich dauerhaft gelingt, abstinent zu bleiben. Und da zeigt sich, dass nach einem Jahr nur noch 22% der Vareniclin-Einnehmer auf Tabak verzichten, 15% unter Bupropion und 9% unter Plazebo. Es gibt im Übrigen andere – nicht vom Vareniclin-Hersteller unterstützte – Studien, in denen die Erfolgsraten für Bupropion mit 21% Nichtrauchern denen von Vareniclin gleichen.

Störwirkungen

Während Bupropion, das in den USA als Wirkstoff zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird, insbesondere das seelische Gleichgewicht stören und u.a. Selbstmord-gedanken fördern kann,brechen viele Entwöh­nungswillige die The­rapie mit Vareniclin ab, weil sie unter Übelkeit, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen leiden. Danebenkommen Bluthochdruck, Depression und Schwindel vor. Zusätzlich könnte Vareniclin für Herzpatienten problematisch sein, denn Herzrhythmusstörungen und auf Mangeldurchblutung des Herzens zurückzuführende Beschwerden waren unter dem Mittel etwas häufiger als unter Plazebo. Darüber hinaus lassen Pfizers Produktinformationen vermuten, dass der Wirkstoff eine gewisse Abhängigkeit erzeugen kann, denn bei abruptem Absetzen klagen manche über Reizbarkeit, Depressionen bzw. Schlafstörungen.4 Vorsicht ist im Straßenverkehr und bei gefährlichen Tätigkeiten geboten, da Schwindel und Müdigkeit auftreten können.

Wer es anders nicht geschafft hat, kann die Raucherentwöhnung mit Vareniclin (Champix®) probieren. (Ein Rezept vom Arzt ist erforderlich.) Man sollte aber die Neben­wirkungen bedenken und wissen, dass die Kassen das Prä­parat nicht bezahlen. Die Erfolgsraten sind allerdings dürftig: Lediglich zwei von zehn Entwöhnungswilligen schaffen es mit Medikament und psychologischer Unter­stützung nach einem Jahr noch rauchfrei zu leben –
mit einem Schein­medika­ment ist es einer von zehn.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2007 / S.03