Flüssiges Silber statt Antibiotika?
Kolloidales Silber wird als angeblich gut wirksame und nebenwirkungsfreie Alternative zu Antibiotika angeboten. Doch das sind leere Versprechen, stattdessen gibt es beträchtliche Risiken.
Glaubt man den Anpreisungen im Internet, handelt es sich bei kolloidalem Silber wahrlich um ein Allheilmittel: „Jede Art von Pilz, Virus, Bakterium, Streptokokken, Staphylokokken und anderen pathogenen Organismen wird in drei bis vier Minuten abgetötet.“1 Das Immunsystem soll „direkt profitieren“. Das Spektrum der Anwendungsbereiche, für die angeblich ein guter Erfolg festgestellt worden ist, reicht von A wie Allergien bis Z wie Zeckenbiss. In dem Sammelsurium tauchen nicht nur lästige Beschwerden wie Mundgeruch oder Zahnbelag auf, sondern auch schwere Erkrankungen wie Blutvergiftung, Leberentzündung und Meningitis (Hirnhautentzündung).
Kolloidales Silber wird als Flüssigkeit verkauft, die Silberpartikel von wenigen tausendstel Millimeter Größe enthält. Daneben gibt es teure Geräte, mit denen jeder selbst Silbersuspensionen herstellen kann. Die als Generatoren bezeichneten Geräte kosten rund 100 Euro, werden aber mit zusätzlichem technischen Schnickschnack auch für mehrere hundert Euro verkauft.
Die Wirksamkeit von kolloidalem Silber in den beschriebenen Anwendungsbereichen lässt sich nicht durch wissenschaftliche Studien belegen. Grob irreführend ist es, wenn als Nutzenbelege Versuche im Reagenzglas angeführt werden, in denen Krankheitserreger durch Silber oder Silberverbindungen abgetötet wurden. Solche Tests sind nicht auf die Bedingungen im menschlichen Körper übertragbar. Dass mit kolloidalem Silber das Problem von Resistenzen gegen Antibiotika umgangen werden kann, ist lediglich eine Behauptung, mit der die Anbieter den Verkauf von Silbersuspensionen oder Geräten zu deren Herstellung ankurbeln wollen.
Gefahr auf dem Silbertablett
Kolloidales Silber soll keine Reizungen verursachen, generell keine relevanten Nebenwirkungen haben und sogar „zu einer außerordentlichen Kräftigung des Immunsystems“1 führen, versprechen Anbieter. Von unabhängiger Seite wird jedoch wegen potenzieller Nebenwirkungen gewarnt. Das australische Nebenwirkungskomitee berichtete kürzlich über vier Silbervergiftungen durch selbst fabrizierte Suspensionen mit kolloidalem Silber. Nach mehrmonatiger oder mehrjähriger regelmäßiger Anwendung hatte sich das Edelmetall im Körper eingelagert. Die Folge: irreversible schiefergraue Verfärbungen von Haut und Schleimhäuten. Bei einem fünfjährigen Jungen funktionierte die Leber nicht mehr richtig, bei einem älteren Mann war der Herzmuskel geschädigt.2
Geschmacksstörung, Geruchsempfindlichkeit sowie Krampfanfälle sind ebenfalls als Nebenwirkungen beschrieben. Und Fehlbildungen beim Neugeborenen sind nicht auszuschließen, wenn die Mutter während der Schwangerschaft Silber eingenommen hat.3
In einem Dokument zur Bewertung von kolloidalem Silber zitiert die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA einen Augenarzt, der kolloidales Silber als „gefährliche Quacksalberei“ bezeichnet.4 Dieser Einschätzung schließen wir uns an und raten, auf die teuren Suspensionen mit Silber zu verzichten.
Stand: 1. Februar 2008 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2008 / S.11