Pflege- und Krankheitskosten richtig absetzen
Mehr Spielraum beim Finanzamt
Wer andere pflegt oder selbst Hilfe benötigt, kann 2021 oft mehr und auch leichter eigene Ausgaben beim Finanzamt geltend machen. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich gleich zwei wichtige Pauschalen erhöht. Dadurch erkennt das Finanzamt zum Teil deutlich mehr Ausgaben steuermindernd an, ohne dass sie einzeln nachzuweisen sind. Außerdem profitieren mehr Menschen als früher von einer möglichen Steuerersparnis.
Ganz gleich ob Zuzahlungen für verordnete Medikamente, Zahnersatz, Ausgaben für Fahrten zum Arzt oder für Unterstützung im Alltag: Im Laufe des Jahres können Krankheits- und Pflegekosten ein enormes Loch in das eigene Budget reißen. Das gilt umso mehr, wenn eine Behinderung vorliegt und sich dadurch weitere kleine wie große Ausgaben summieren.
An diesen Gesundheitskosten können Steuerzahlende das Finanzamt beteiligen: Sind die Ausgaben so hoch, dass sie steuerlich als nicht mehr zumutbar gelten, erkennt das Finanzamt sie als „außergewöhnliche Belastung“ an. Dadurch kann die Steuerlast deutlich sinken. Wo die Grenze zwischen der „zumutbaren Belastung“, die die Steuerpflichtigen selbst tragen müssen, und außergewöhnlicher Belastung liegt, ermittelt das Finanzamt individuell anhand der familiären Situation und der Höhe der erzielten Einkünfte. Die Tabelle (S. 26) und das Beispiel (S. 27) zeigen, wie es dabei rechnet.
Mehr bei Behinderung
Es ist jedoch nicht immer notwendig, die eigenen Krankheits- und Pflegekosten einzeln beim Finanzamt abzurechnen: Menschen mit einer Behinderung können ihre Ausgaben stattdessen pauschal geltend machen, indem sie den „Behindertenpauschbetrag“ nutzen. Diese Pauschale ist für 2021 im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht worden.
Je nach Grad der Behinderung beträgt sie mittlerweile zwischen 384 und 7.400 Euro jährlich. Sie wird ab einem Grad der Behinderung von 20 gewährt (siehe Tabelle S. 25). Zum Vergleich: Vorher gab es die Pauschale erst ab einem Grad der Behinderung von 25, die Pauschalen lagen bis 2020 um die Hälfte niedriger – als zwischen 310 und 3.700 Euro im Jahr.
Der Pauschbetrag wirkt sich steuerlich ab dem ersten Euro aus – ohne die Berücksichtigung eines Eigenanteils in Höhe der zuvor genannten „zumutbaren Belastung“. Entscheiden sich Menschen mit einer Behinderung für die pauschale Abrechnung, sind damit alle Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Alltagsaufgaben abgegolten, etwa für Pflegeaufwendungen und erhöhten Wäschebedarf. Einmalige eigene Ausgaben, zum Beispiel für den Einbau eines Treppenlifts oder den barrierefreien Umbau der Wohnung, können sie allerdings zusätzlich als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Diese Ausgaben wirken sich wiederum steuersenkend aus, sobald die individuell zu ermittelnde „zumutbare Belastung“ übersprungen ist.
Neu ist in diesem Jahr zudem, dass Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 eine Fahrtkostenpauschale als außergewöhnliche Belastung geltend machen können. Je nach Grad der Behinderung beträgt diese zwischen 900 und 4.500 Euro im Jahr.
Mehr steuerfrei für pflegende Angehörige
Auch Angehörige, die pflegen, können für 2021 einen deutlich höheren Pflegepauschbetrag von der Steuer absetzen. Versorgen Sie jemanden mit Pflegegrad 4 oder 5 und/oder mit dem Vermerk „H“ für „Hilflos“ im Behindertenausweis, steht Ihnen nun ein Pflegepauschbetrag von 1.800 Euro im Jahr zu. Im Vorjahr lag diese Steuervergünstigung noch bei 924 Euro. Als weiterer Vorteil kommt hinzu, dass das Finanzamt nun auch schon bei geringerem Pflegegrad eine Pauschale anerkennt. Kümmert sich etwa eine Tochter um ihre Mutter, sind es pauschal 600 Euro bei Pflegegrad 2 und 1.100 Euro bei Pflegegrad 3.
Christa und Fritz S. sind kinderlos und im Ruhestand. Aus ihren Renten erzielen sie 35.000 Euro steuerpflichtige Einkünfte im Jahr. Fritz erhielt im Frühling eine Zahnarztrechnung für zwei neue Implantate. Christa hatte im Sommer einen Fahrradunfall, sodass sie unter anderem Zuzahlungen für den Krankenhausaufenthalt und die anschließende Reha sowie für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel leisten musste. Diese Ausgaben sowie Fahrtkosten für Besuche beim Hand-Spezialisten in der benachbarten Stadt kann sie beim Finanzamt geltend machen. Insgesamt summieren sich die Ausgaben des Ehepaars auf 4.500 Euro im Jahr. In diesem Fall ermittelt das Finanzamt die zumutbare Belastung für Christa und Fritz S. so:
- 4 Prozent für Einkünfte bis 15.340 Euro: 613,60 Euro
- 5 Prozent für Einkünfte über 15.340 bis 35.000 Euro: 983 Euro.
- In der Summe ergibt sich für das Paar eine zumutbare Belastung von abgerundet 1.596 Euro.
- Damit erkennt das Finanzamt von den 4.500 Euro Gesundheitsausgaben 2.904 Euro (4.500 minus 1.596) steuermindernd als außergewöhnliche Belastung an.
Tipps
Steuererklärung
Den Pflege- sowie den Behindertenpauschbetrag und die Fahrtkostenpauschale bei Vorliegen einer Behinderung beantragen Sie mit der nächsten Steuererklärung über die „Anlage Außergewöhnliche Belastungen“. Hier geben Sie Ihren eigenen Grad der Behinderung an oder informieren über die von Ihnen zu betreuende Person. Kümmern sich mehrere Erwachsene um die Pflege – etwa wenn mehrere Geschwister die Mutter gemeinsam versorgen – ist das ebenfalls in die Anlage einzutragen. Der Pflegepauschbetrag wird dann unter den Pflegenden aufgeteilt.
Unterstützung
Gerade im ersten Jahr nach Eintritt einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit dürfte es sich lohnen, einen Steuerexperten oder eine Steuerexpertin um Rat zu fragen, um alle anfallenden Ausgaben richtig beim Finanzamt abzurechnen. Infrage kommt der Besuch bei einem Steuerberater oder die Mitgliedschaft in einem Lohnsteuerhilfeverein. Haben Sie einmal Unterstützung vom Profi bekommen, können Sie Ihre Steuerangelegenheiten vielleicht künftig auf eigene Faust erledigen.
Suche
Fragen Sie im Bekannten- oder Freundeskreis, ob es dort Empfehlungen für einen Steuerprofi gibt. Ansonsten können Sie zum Beispiel im Internet über die Seite der Bundessteuerberaterkammer www.bstbk.de den „bundesweiten Steuerberatersuchdienst“ nutzen oder unter www.beratungsstellensuche.de nach Experten und Expertinnen in Ihrer Nähe schauen.
Ratgeber
Die Stiftung Warentest gibt jedes Jahr zwei Steuerratgeber heraus: „Steuererklärung Rentner und Pensionäre“ sowie „Steuererklärung Arbeitnehmer und Beamte“. Diese Ratgeber führen Schritt für Schritt durch die jeweils aktuellen Steuerformulare. Hier finden Sie ebenfalls Hinweise zum Thema Krankheits- und Pflegekosten sowie zu vielen anderen Fragen rund um die Steuererklärung. Sie erhalten die Ratgeber im Buchhandel oder im Internet unter www.test.de/shop.
Gesundheitskosten GPSP 4/2020, S. 22
Stand: 1. November 2021 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2021 / S.25
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