Neuer Pflege-TÜV: Gute und schlechte Pflegeheime besser unterscheiden
Mehr Details und bessere Daten zu Qualität und Ausstattung
Seit Anfang 2022 müssen alle Pflegeheime in Deutschland Daten für den neuen Pflege-TÜV liefern. Was man zu den Ergebnissen wissen sollte.
Im Internet und auf Werbebroschüren präsentieren sich Pflegeheime in leuchtenden Farben mit fröhlichen Menschen. Über die Qualität der Versorgung sagt das aber wenig aus. Dafür gibt es jetzt den neuen „Pflege-TÜV“, der die viel kritisierten „Pflege-Noten“ ablöst. Was ist anders und wo liegen die Stärken und Schwächen der neuen Qualitätsinformationen? Ein Überblick:
1. Warum bekommen die Pflegeheime nicht mehr wie früher eine Note?
Die Pflegenoten standen massiv in der Kritik, weil die Mehrzahl der deutschen Pflegeheime mit „sehr gut“ abschnitt – obwohl immer wieder gravierende Mängel in den Einrichtungen aufgedeckt wurden. So entstand der falsche Eindruck, alle Pflegeheime seien top. Ein Hauptproblem: die geringen Anforderungen für die Note 1,0.1 Eine schlechte Pflege konnte durch gute Bewertungen in anderen Bereichen wettgemacht werden. Außerdem prüfte der Medizinische Dienst vor allem die Dokumentation, nicht die eigentliche Pflege. Das ist jetzt anders.
2. Welche Informationen liefert der neue Pflege-TÜV?
Die Qualitätsinformationen sind umfangreicher als die früheren Noten. Sie umfassen eine Selbstauskunft der Pflegeheime über ihr Angebot, Eigenangaben zur Qualität der Pflege und die Ergebnisse aus der externen Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes. Die Informationen ermöglichen ein genaueres Bild einer Einrichtung.
3. Werden die Eigenangaben der Pflegeheime überprüft?
Die Selbstauskünfte zum Angebot sind freiwillig – zum Beispiel zu Schwerpunkten der Versorgung, zu Gruppenangeboten oder zu einer besonderen Ausstattung. Das wird nicht überprüft. Verpflichtend sind aber die Qualitätsangaben: Jedes Pflegeheim muss zweimal im Jahr Daten zum Gesundheitszustand und zur Versorgung der Bewohner:innen erheben und an eine zentrale Datenauswertungsstelle (DAS) übermitteln. Die Einrichtungen müssen zum Beispiel melden, wie viele Bewohner:innen an einem Dekubitus („Wundliegen“) leiden, unbeabsichtigt Gewicht verloren haben oder mit Gurten fixiert wurden. Die DAS prüft, ob die Daten plausibel sind, und errechnet, wie gut das Pflegeheim in der jeweiligen Kategorie im Vergleich zu anderen Einrichtungen abschneidet. Die Spanne reicht von „weit unter dem Durchschnitt“ (ein Punkt) bis „weit über dem Durchschnitt“ (fünf Punkte).
4. Was passiert bei der externen Qualitätsprüfung?
Jedes Pflegeheim wird in regelmäßigen Abständen vom Medizinischen Dienst oder dem Prüfdienst des Verbandes der Privaten Krankenversicherung besucht. Dabei sprechen die Prüfer:innen mit einer Auswahl von neun Bewohner:innen und kontrollieren deren Pflegedokumentation. Sie interessiert zum Beispiel, wie gut die Menschen beim selbstständigen Essen unterstützt werden oder ob das Pflegeheim Schmerzen systematisch erfasst und behandelt. Am Ende steht für jeden untersuchten Aspekt eine Bewertung, die von „keine oder geringe Qualitätsdefizite“ (vier Punkte) bis „schwerwiegende Qualitätsdefizite“ (ein Punkt) reicht.
5. Wo werden diese Informationen veröffentlicht?
In den verschiedenen Online-Datenbanken der Pflegekassen (siehe Kasten), etwa dem Pflegelotsen (Verband der Ersatzkassen) oder dem Pflegenavigator (AOK). Verbraucher:innen können hier nach Pflegeheimen in der Nähe suchen und bekommen neben den Kosten auch die Qualitätsberichte angezeigt.
6. Worin liegen die Stärken des neuen Systems?
Die Qualitätsinformationen sind viel differenzierter als früher. Zum Beispiel unterscheiden die Pflegeheime bei der Erhebung der Daten zwischen Bewohner:innen mit kognitiven Einschränkungen und solchen ohne. Auch Menschen mit einem erhöhten Dekubitus-Risiko werden besonders betrachtet. Sonst könnten Einrichtungen im Vergleich nur deshalb schlechter abschneiden, weil sie viele Menschen mit Demenz oder einem hohen Grundrisiko für einen Dekubitus betreuen. Die externen Prüfer:innen geben an, ob ein festgestellter Mangel tatsächlich negative Auswirkungen auf die Bewohner:innen hat. Verbraucher:innen können die Informationen dadurch besser einordnen. Alle aufgeführten Kriterien werden erklärt und begründet. Dadurch verstehen auch Nicht-Fachleute, warum etwa ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust ein wichtiges Kennzeichen für schlechte Pflegequalität ist.
7. Warum wird der neue Pflege-TÜV trotzdem kritisiert?
Das Hauptproblem ist die Fülle an Informationen. Gibt sich ein Pflegeheim Mühe mit den Selbstauskünften, kann der Qualitätsbericht durchaus 50 Seiten umfassen. Wer mehrere Einrichtungen vergleichen möchte, braucht also viel Zeit. Außerdem muss man alles aufmerksam lesen, weil die Ergebnisse in unterschiedlichen Skalen dargestellt werden: Mal sind vier Punkte möglich, mal fünf. Für einen schnellen Überblick ist der neue Pflege-TÜV also nicht geeignet. Die Verbraucherzentrale kritisiert außerdem, dass die Pflegeheime nicht angeben müssen, wie viele Beschäftigte bei ihnen arbeiten. Dabei ist ausreichend Personal ein zentrales Kriterium für gute Pflege.2
Stand: 27. Oktober 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2022 / S.22