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©Exe of Sciences/Agentur Focus

Nobelpreis mit Neben­wirkung?

Helicobacter pylori nicht immer behandeln

Zwei Forscher entdeckten vor über 20 Jahren, dass ein bestimmtes Bakterium Magengeschwüre verursachen kann. Sie revolutionierten damit die Therapie und erhielten dafür jetzt den Nobelpreis. Doch längst nicht jeder, der das Bakterium im Magen hat, muss sich behandeln lassen.

Im Oktober dieses Jahres erhielten die beiden australischen Forscher Barry J. Marshall und Robin J. Warren den Nobelpreis, weil sie die Bedeutung des Bakteriums Helicobacter pylori für die Bildung von Geschwüren im Magen und im Zwölffingerdarm erkannt hatten. Obwohl bereits Anfang des 20. Jahrhunderts deutschen Wissenschaftlern das Bakterium aufgefallen war, sind die Forschungsergebnisse aus dem Jahre 1982 wirklich revolutionär. Bis dahin gab man nämlich der Magensäure die Hauptschuld an den Geschwüren. Das schien einleuchtend, denn die Behandlung mit Medikamenten, die die Säureproduktion hemmen oder abpuffern, war meist erfolgreich – allerdings nur für kurze Zeit. In der Regel kam es nach Ende der Therapie zu einem Rückfall. Häufig musste operiert werden oder die Geschwüre waren lebensbegleitend. Manchmal führten sie sogar zum Tod.

Vieles hat sich geändert, seit man die Bedeutung des Bakteriums für die Entstehung der Geschwüre kennt. Es gibt heute genau festgelegte Behandlungsmethoden. Meist müssen zwei Antibiotika und ein Säureblocker sieben Tage lang eingenommen werden. Dann ist bei 90% der Patienten der Bakterienbefall beseitigt („eradiziert“ sagt der Mediziner), und die Geschwüre heilen ab. Rückfälle, sogenannte Rezidive, sind selten. Operiert wird kaum noch. Die Entdeckung von Marshall und Warren hat Millionen Menschen chronische Schmerzen, Operationen und vielen den frühen Tod erspart.

Gesund trotz Bakterium

Und trotzdem: Die Preisverleihung hat auch nachteilige Effekte (dafür können die Forscher natürlich nichts). Helicobacter ist ins Visier der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten. Es ist von einem „Killerkeim“ die Rede, weil sich aus den Geschwüren, die er verursachen kann, manchmal Magenkrebs entwickelt. Aufgebauschte Berichte versetzen viele Menschen in Panik, weil sie Helicobacter in ihrem Magen haben und nicht behandelt werden. Helicobacter ist aber ein Bakterium, das nicht krank machen muss. Nur zwei von zehn Infizierten erkranken im Verlauf ihres Lebens an einem Geschwür. Eine Behandlung ist aber erst dann sinnvoll, wenn die Magenschleimhaut geschädigt ist und Schmerzen auftreten. Wenn man sich ohne oder mit geringen Beschwerden mit Antibiotika behandeln lässt, obwohl die Magenschleimhaut trotz einer Besiedlung mit Helicobacter gesund ist, überwiegen die Gefahren: Es bilden sich möglicherweise resistente Bakterienstämme. Auch können unter der antibakteriellen Therapie seltene, aber bedrohliche Darmentzündungen entstehen.

Die Entdeckung der Nobelpreisträger hat einen großen medizinischen Fortschritt bewirkt. Es darf jedoch nicht dazu kommen, dass nun häufig unnötig behandelt wird und die Menschen dadurch nicht gesund, sondern vielleicht durch die Nebenwirkungen einer überflüssigen Therapie sogar krank gemacht werden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2005 / S.12