Fantasiename unwichtig
Es geht um den Wirkstoff
Kaufen Sie noch Aspirin® oder schon Acetylsalicylsäure? Das eine ist der Handels- bzw. Markenname, das andere der Name des Wirkstoffs. Der Wirkstoffname ist Allgemeingut und muss von jeder Arzneifirma ebenfalls genannt werden.
Die Handelsnamen sollen hingegen eine Marke setzen und werbewirksam sein. Das führt zu teils irreführenden Fantasienamen. Zum Beispiel ist Superpep® gegen Reiseübelkeit keineswegs ein „peppiger“ Muntermacher, vielmehr macht das Medikament müde. Wichtig bei Arzneimitteln ist der Wirkstoff – etwa Dimenhydrinat bei Superpep® oder Acetylsalicylsäure bei Aspirin®. Kennt man ihn, kann man als Patient in der Apotheke ein teures Präparat durch ein günstigeres Generikum ersetzen lassen, sofern es solche Alternativen gibt.
1950 hat die Weltgesundheitsorganisation eingeführt, dass der Wirkstoffname international vergeben wird (INN = International Nonproprietary Name/Internationaler Freiname). Dabei hatte sie weniger die Patienten als die wissenschaftliche Systematik im Auge. Zum Beispiel achtet sie darauf, dass ähnliche Arzneistoffe an gleichen Kennsilben zu erkennen sind. Bestimmte Mittel gegen Diabetes enden zum Beispiel auf die Silben „gliflozin“, wie etwa Dapagliflozin oder Empagliflozin. Das schafft für Ärzte und Apotheker Übersicht bei der Vielfalt der Arzneistoffe. Und längst ist es so, dass Wissenschaftler Arzneimittelstudien unter dem internationalen Wirkstoffnamen publizieren und andere unter diesem INN nach Publikationen suchen.
Kürzlich hat die französische Arzneimittelbehörde ANSM vorgeschlagen, den Internationalen Freinamen auf den Medikamentenschachteln in den Vordergrund zu stellen und größer zu drucken als den Handelsnamen.4 Das sorgt dafür, dass Wissenschaftler, Apotheker und Ärzte ähnliche Wirkstoffe leichter als solche identifizieren, Bürger und Bürgerinnen den Wirkstoffnamen besser kennenlernen. Außerdem: Es fällt so eher auf, wenn verschiedene Ärzte oder Ärztinnen denselben Wirkstoff für unterschiedliche Anwendungen verschreiben und daraus eine Überdosierung entsteht. Denn Duloxetin steckt zum Beispiel sowohl in Yentreve®, das Ärzte gegen Harninkontinenz verordnen, als auch in Cymbalta®, das sie bei Depression aufs Rezept schreiben. Wir finden: Internationale Freinamen zu verwenden ist eine nachahmenswerte Initiative!
Stand: 12. September 2018 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2018 / S.15