Zum Inhalt springen
©simarik/iStock

Intime Probleme

Mit den Jahren verändert sich auch das Scheidengewebe

Mit den Jahren verändert sich auch das Scheidengewebe

Juckreiz, Brennen, Scheidentrockenheit oder Schmerzen beim Sex: Das können Folgen sein, wenn sich in den Wechseljahren das Scheidengewebe verändert. Gegen die Beschwerden sind verschiedene Präparate im Angebot. Ein Hersteller vermarktet sein neues Arzneimittel als hormonfreie Therapie. Was ist da dran?

Wenn in den Wechseljahren der weibliche Körper weniger Östrogen bildet, wird auch die Schleimhaut der Scheide dünner, weniger durchblutet und sie produziert nicht mehr so viel Feuchtigkeit. Mediziner sprechen von einer „vulvovaginalen Atrophie“ und gehen davon aus, dass jede zweite Frau nach der Menopause, also der letzten Regelblutung, mit typischen Folgeproblemen zu tun hat.

Die unterschiedlichen Beschwerden, zu denen auch Ausfluss gehören kann, sind mehr oder minder stark und belastend. Bevor frau nun aber zu speziellen östrogenhaltigen Präparaten für den Scheidenbereich greift, sollte sie vielleicht erst einmal ausprobieren, ob ihr ein Gleitmittel oder eine Feuchtigkeitscreme hilft. Diese gibt es in Drogerien und Apotheken.

Einfache Mittel

Ein Gleitmittel kann eine Frau – oder ein Mann – direkt vor dem Sex auftragen. Es soll Schmerzen verhindern oder mindern. Produkte auf Wasserbasis können das offenbar besser als Gleitmittel, die auf Silikon basieren.

Feuchtigkeitscremes oder Gele sollen Frauen regelmäßig im Intimbereich auftragen. Je nach Produkt täglich oder zwei- bis dreimal in der Woche. Das kann offenbar den Feuchtigkeitsgehalt der Scheidenschleimhaut erhöhen und den pH-Wert in der Scheide senken, sodass sich Keime, die zum Beispiel zu Ausfluss führen, weniger leicht ausbreiten können. In kleineren Studien, die aber höchstens 12 Wochen dauerten, wurde für manche der Produkte nachgewiesen, dass sie so wirksam sind wie östrogenhaltige Präparate.

Dass die hormonfreien Mittel in der Regel Medizinprodukte sind, die keiner Zulassung bedürfen, hat Nachteile. Der Anbieter muss nicht solche aufwendigen Studien machen, wie sie für Arzneimittel vorgeschrieben sind. Wirksamkeit und Sicherheit sind folglich weniger konsequent untersucht.

Die Hauptbestandteile der Produkte sind Silikon, ein Pflanzen- oder Mineralöl (z.B. Vaseline) oder Wasser. Zum Konservieren und Verdicken kommen weitere Inhaltsstoffe dazu. Bisweilen sind auch keimtötende Stoffe enthalten. Gerade solche Hilfsstoffe können allerdings Reizungen hervorrufen oder sogar allergische Reaktionen. Ungünstig ist die hohe Osmolalität vieler Produkte. Denn sie hat zur Folge, dass dem Gewebe Wasser entzogen wird, was wiederum die oberste Hautschicht schädigen kann.

Zwar fehlen bessere Studien zur Wirksamkeit und der Verträglichkeit dieser Produkte. Es spricht aber wenig gegen ein Ausprobieren. Machen Sie am besten einen Verträglichkeitstest auf der Haut. Und bedenken Sie generell, dass fett- und ölhaltige Präparate die Reißfestigkeit von Kondomen mindern können. Zu ungewollten Schwangerschaften kann es auch noch in den Wechseljahren kommen. Übrigens hat sich gezeigt, dass Vaseline bakterielle Entzündungen der Scheide fördern kann.

Östrogen für die Scheide

Sofern Gleitmittel oder feuchtigkeitsfördernde Mittel nicht helfen oder eine Frau stärkere Beschwerden hat, kann sie mit ihrer Frauenärztin besprechen, ob niedrig dosierte östrogenhaltige Präparate für sie infrage kommen. Diese werden als Creme in der Scheide verteilt oder als Zäpfchen oder Vaginalring eingeführt. Es gibt sie nur in der Apotheke und nur auf Rezept.

Niedrig dosierte Mittel wie Oekolp® oder Ovestin® und andere enthalten Estriol. Sie werden die ersten drei Wochen täglich, danach zweimal die Woche verwendet. In Deutschland ist nur ein niedrig dosiertes Produkt mit Estradiol zugelassen: der Vaginalring Estring®, der für drei Monate in der Scheide verbleibt.

Aus einer systematischen Übersichtsarbeit geht hervor, dass östrogenhaltige Scheidenpräparate besser wirken als ein Placebo – zwischen den verschiedenen Mitteln sind die Unterschiede in der Wirksamkeit gering.1
Schlecht untersucht sind bisher die Risiken dieser Präparate. Frauen müssen jedenfalls mit Juckreiz oder Brennen rechnen. Ungünstig ist vor allem, dass durch die Hormonanwendung im Intimbereich eine Infektion durch Hefepilze (Candidose) entstehen kann. Eventuell steckt sich auch der Partner an. Und noch etwas ist zu bedenken: Die Östrogene können von der Scheide zum Partner gelangen.

Vor allem die Folgen einer längeren Anwendung haben Studien bisher ausgeklammert. Dabei gibt es vielerlei Belege dafür, dass auch niedrig dosierte Östrogene, die gezielt nur in der Scheide angewendet werden, sich vielerorts im Körper auswirken können. Von der Scheide aus erreichen die Hormone offenbar auch die Gebärmutter. Östrogene können aber zu Gebärmutterkrebs führen. Deshalb sollten Frauen, die diese Hormonpräparate nutzen, von ihrer Frauenärztin regelmäßig die Gebärmutter untersuchen lassen.

Neue Tablette

Kürzlich ist eine Tablette auf den Markt gekommen, die Frauen, die keine Präparate in die Scheide einführen mögen, nützen soll. Sie muss täglich und möglichst immer zur gleichen Uhrzeit eingenommen werden. Der enthaltene Wirkstoff ist Ospemifen (Senshio®). Nur Frauen, für die vaginale östrogenhaltige Mittel nicht infrage kommen, dürfen Ospemifen nutzen. Ob diese Anwendungseinschränkung in der Praxis beachtet wird, erscheint fraglich.

Die zwei Studien zu dem Mittel überzeugen nicht, obwohl es bei einigen Frauen Schmerzen beim Sex verringerte und in einer der Studien auch Scheidentrockenheit minderte.1 Der Grund: Die Firma Shinonogi hat die Wirksamkeit von Ospemifen nur mit Placebo verglichen und nicht etwa mit Präparaten, die direkt in die Scheide gegeben werden. Außerdem berichteten Studienteilnehmerinnen, die den Wirkstoff einnahmen, häufiger von Nebenwirkungen wie Hitzewallungen und Scheideninfektionen als die Placebo-Anwenderinnen der Studie.

Auswirkungen auf die Gebärmutter

Ospemifen ist kein Hormon, bindet aber im Körper an die Stellen, wo sonst bestimmte Hormone anbinden („andocken“). Wenn der Hersteller sein Präparat als „hormonfreie Therapie“ bewirbt, täuscht das darüber hinweg, dass Stoffe, die an Östrogenrezeptoren binden, auch östrogenartige Effekte haben können.

Ob die Tablette für Frauen nach überstandener Brustkrebstherapie, die dann keine Östrogene einnehmen dürfen, eine Option sind, ist fraglich. Der Hersteller behauptet das. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA rät diesen Frauen allerdings von Ospemifen ab. Generell empfiehlt die FDA, das Mittel so kurz wie möglich einzunehmen.

Jenseits des Atlantiks steht in der Produktinformation des Herstellers außerdem, dass es sinnvoll sein kann, zusätzlich zu Ospemifen ein Gestagen einzunehmen – also ein zweites Hormon, das das erhöhte Risiko von Gebärmutterkrebs senken soll. Ob dies allerdings bei dem östrogenartig wirkenden Ospemifen überhaupt funktioniert, ist nicht durch Studien geklärt. Außerdem warnen die Europäische Arzneibehörde EMA und die FDA vor einem erhöhten Risiko für Beinvenenthrombosen.

Es spricht also viel gegen die Einnahme der neuen Tablette. Teuer ist sie außerdem. Und: An der Zulassung durch die EMA gab es deutliche Kritik.

GPSP empfiehlt, hormonfreie oder gegebenenfalls niedrig dosierte östrogenhaltige Präparate auszuprobieren, die Frauen direkt in die Scheide geben und daher vor allem vor Ort wirken.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2016 / S.07