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©Alekss/fotolia

Honig: Lebensmittel und Medizin?

Bienenstöcke werden gerne als „Medizinschrank der Natur“ bezeichnet. Honig ist nicht nur ein Lebensmittel, sondern macht auch als traditionelles Arzneimittel von sich reden. Die Naturheilkunde setzt dabei auf eine Vielzahl von Inhaltsstoffen. Hält die Tradition einer wissenschaftlichen Prüfung stand?

Die Herstellung ist aufwändig: Um Nektar für ein Kilogramm Honig zu sammeln, muss eine Biene eine Strecke fliegen, die dem Sechsfachen des Erdumfanges entspricht. Der Nektar wird im Honigmagen „vorverdaut“, mit Enzymen angereichert und eingedickt. Der fertige Honig besteht zum größten Teil aus Fruchtzucker (Fruktose) und Traubenzucker (Glukose). Der hohe Zuckergehalt – immerhin 80 bis 85 Prozent – sorgt maßgeblich dafür, dass unverdünnter Honig Bakterien und andere Krankheitserreger abtöten kann, weil er ihnen Wasser entzieht. Da Honig auch leicht sauer ist, soll er zusätzlich das Keimwachstum hemmen.

Obwohl die medizinische Anwendung von Honig eine lange Tradition hat, sind seine Wirkungen wissenschaftlich nicht gut untersucht. Die Studien sind meist von sehr geringer Aussagekraft, da sie beispielsweise zu wenige Menschen einbeziehen und oft ein Vergleich mit einem Placebo oder einem Medikament fehlt.

Nach heutigem Wissensstand kann ein täglicher Honigkonsum Krankheiten nicht vorbeugen. Und selbst wenn Honig theoretisch bei einer Krankheit hilfreich sein könnte, sind medizinisch gesicherte Behandlungen vorzuziehen. Von Selbstversuchen, etwa bei Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Diabetes, ist unbedingt abzuraten.

Honig zu Wundbehandlung?

Es gibt viele Studien zur Wundbehandlung mit Honig, aber ihre Ergebnisse enttäuschen. Bei leichten Verbrennungen gibt es zwar Hinweise auf eine beschleunigte Heilung, wenn sterilisierter Honig auf die Wunde aufgetragen wurde.1 Allerdings stammen diese Ergebnisse nur von einer Forschergruppe, was die Verlässlichkeit erheblich schmälert. Bei schweren Verbrennungen scheint Honig im Vergleich zur üblichen Behandlung die Heilung sogar zu verzögern.

Auch bei der Behandlung chronischer Wunden ist bisher kein klarer Nutzen zu erkennen. Venöse Beingeschwüre heilen durch Auftragen von Honig (zusätzlich zu Kompressen) innerhalb von 12 Wochen nicht schneller ab. Zur Wirksamkeit bei Druckgeschwüren (Dekubitus) fehlen aussagefähige Untersuchungen.1

Gerade die Behandlung chronischer Wunden, die auf Stoffwechselerkrankungen oder Durchblutungsstörungen zurückgehen, gehört in die Hände von Fachleuten. Wenn manche Krankenhäuser dabei neben etablierten Verfahren auch Honig einsetzen, wird der Zustand der Wunde kontinuierlich medizinisch überwacht. Eigene „Experimente“ zu Hause sind hier fehl am Platz.

Eine Wundbehandlung mit Honig kann anfangs unangenehm brennen. Das liegt an der Säure im Honig. Da er trotz des hohen Zuckergehalts Bakterien und Pilzsporen enthält, die Wundinfektionen verursachen können, verwenden Krankenhäuser – wenn überhaupt – nur sterilisierten Honig.1

©Jörg Schaaber

Honig bei Husten?

Wenn Kinder husten, hält dies die Eltern besonders nachts auf Trab. Zwar sind viele Hustenmedikamente auf dem Markt, aber oft werden sie Kindern aus Furcht vor unerwünschten Wirkungen nicht gegeben. Ein beliebtes Hausmittel, auch bei Erkältung und Schlafstörungen, ist Milch mit Honig. Hier dürfte schon die Erwartung einer positiven Wirkung zur Linderung von Beschwerden beitragen – also ein Placebo-Effekt (GPSP 3/2012, S. 3). Der Hustenreiz wird möglicherweise dadurch etwas gelindert, dass Honig den Speichelfluss anregt. Honig kann zwar prinzipiell Krankheitserreger abtöten – allerdings nur beim direkten Kontakt. Wird er geschluckt, wird er im Magensaft verdünnt und wirkt nicht mehr gegen Bakterien.

Gegen Honig als Hausmittel bei Husten ist nichts einzuwenden – auch wenn die wissenschaftliche Datenlage zum Nutzen mager ist.2

Honig und Lippenherpes

Honig soll helfen können, Schmerzen bei Lippenherpes zu lindern und die Krustenbildung zu fördern. Angeblich soll er sogar besser als das Lippenherpesmittel Aciclovir wirken.3 Da sind wir skeptisch, denn begründet wird der E; ekt mit Ergebnissen einer Studie mit nur 8 Personen. Und selbst die gebräuchlichen apothekenpflichtigen Herpespräparate lindern nur die Beschwerden. Durch keines der marktüblichen Arzneimittel heilt Herpes relevant schneller ab (siehe GPSP 4/2008, S. 3).

Wissen und Unwissen

Naturheilkundliche Ratgeber empfehlen seitenweise weitere Anwendungen, obwohl sie längst wissenschaftlich widerlegt sind. Einige Beispiele: Die Behandlung von Magengeschwüren mit Honig funktioniert nicht, Honig beseitigt keine Helicobacter- Bakterien, die häufog Auslöser von Magengeschwüren sind.4 Ob Darmprobleme mit Honig zu behandeln sind, wurde bislang nur in Tierversuchen untersucht. Die Behauptung, Honig senke den Cholesterinspiegel, ließ sich nicht bestätigen.5

Untersucht wurde auch, ob im Rahmen von Bestrahlungen bei der Krebstherapie Schleimhautentzündungen mit Honig vorgebeugt werden kann. Hier erwiesen sich etablierte Verfahren (z.B. Eis- Chips) dem Honig überlegen.6

Bei manchen Anwendungen, die propagiert werden, ist nicht unbedingt der Honig für einen Erfolg ausschlaggebend. So konnte in einer Studie ein direkt aufgetragener Mix aus Honig, Olivenöl und Bienenwachs bei Hämorrhoiden Juckreiz und Blutungen verringern.7 Dies ist wenig überraschend, denn die Substanzmischung macht die Region des Enddarms geschmeidiger. Schließlich dürfen die als günstig beschriebenen Effekte bei Schuppenflechte und Neurodermitis8 wesentlich auf Placebowirkungen beruhen. Denn gerade bei diesen Hauterkrankungen wirkt sich ein Wechsel der Therapie relativ häufig – aber meist zeitlich begrenzt – günstig aus.

Eine Sonderrolle in der „Honig-Therapie“ wird Manuka-Honig aus Neuseeland zugeschrieben, der ungewöhnlich viel antibakteriell wirkendes Methylglyoxal enthält. Ob Manuka deshalb heilsamer ist als andere Honige, ist unklar.* Teurer ist er auf alle Fälle: Das Kilogramm kostet zwischen 40 und 60 €. Manuka können Sie also getrost der Forschung überlassen und für Ihr Frühstück lieber zu regionalen Produkten greifen.

Honig ist ein traditionelles Hausmittel gegen alltägliche Beschwerden. Die wissenschaftlichen Beweise für die Wirkung von Honig als Medizin reichen nicht aus. Zur Behandlung ernster Erkrankungen stehen in der Regel etablierte und wirksame Therapien zur Verfügung. Deshalb raten wir ganz besonders in solchen Situationen von Behandlungsversuchen mit Honig ab.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2013 / S.10