Heuschnupfen: Abhilfe per Lutschtablette?
Daten für Immunobon® bei Pollenallergie wenig überzeugend
Die ergänzende bilanzierte Diät Immunobon® soll bei Menschen mit Heuschnupfen die allergische Reaktion eindämmen. Gut untersucht ist das aber nicht.
Molke, Zink, Vitamin A, Eisen: Das soll gegen Heuschnupfen helfen. So behauptet es zumindest der Anbieter von Immunobon®. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein gut untersuchtes zugelassenes Arzneimittel, sondern lediglich um ein „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“, manchmal auch als „ergänzende bilanzierte Diät“ bezeichnet. Ob dieser Unterschied für Verbraucher:innen trotz Kennzeichnung auf der Packung einfach zu durchschauen ist, bleibt fraglich.
Teure Theorie
Die behauptete Theorie: Die Eiweißstoffe aus der Molke sollen Vitamine und Mineralstoffe „gezielt […] zu den Immunzellen transportieren“. Davon sollen Heuschnupfen-Geplagte profitieren. Dafür müssen sie mindestens drei Monate lang zweimal täglich zu den Lutschtabletten greifen. Dass bei Heuschnupfen die Immunzellen zu wenig mit diesen Mikronährstoffen versorgt sind, ist unserer Einschätzung nach höchst spekulativ. Was man sich außerdem auf der Zunge zergehen lassen muss: Ein Monatsbedarf kostet laut Preisempfehlung des Anbieters rund 35 Euro.
Provozierte Beschwerden
Aber funktioniert die Theorie, so wenig plausibel es auch sein mag, in der Praxis? Reagiert man mit den Lutschtabletten also tatsächlich weniger auf Pollen? Dazu hat der Anbieter eine Studie durchführen lassen.
An der Untersuchung nahmen 58 Frauen mit Pollenallergie teil. Sie erhielten nach dem Zufallsprinzip über einen Zeitraum von sechs Monaten entweder Immunobon® oder ein Placebo. Zu Beginn und am Ende der Studie mussten sie sich einem nasalen Provokationstest unterziehen, bei dem die Versuchspersonen Pollen ausgesetzt wurden. Im Anschluss wurde verglichen, wie stark die Beschwerden ausfielen.
Wenig aussagekräftig
Das arznei-telegramm® findet in der Publikation allerdings keine überzeugenden Belege:1 So war die Studie ohnehin schon sehr klein. In die Hauptauswertung flossen darüber hinaus nur die Daten von 34 der insgesamt 58 Teilnehmerinnen ein. Aus solch dünnen Daten lassen sich keine belastbaren Schlussfolgerungen ziehen. Ob Menschen mit Heuschnupfen von dem Präparat profitieren, ist also nicht gut belegt.
Bilanzierte Diäten in der Kritik
Das Konzept vieler ergänzender bilanzierter Diäten ist ohnehin umstritten: Anders als bei Nahrungsergänzungsmitteln dürfen die Anbieter auf der Packung eine Krankheit benennen: „zum Diätmanagement bei …“. Im Gegensatz zu Arzneimitteln ist aber keine vorherige behördliche Prüfung von Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität vorgesehen. Ergänzende bilanzierte Diäten sollen zwar theoretisch nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden, sind aber dennoch frei verkäuflich.
Vor dem Europäischen Gerichtshof wird gerade geklärt, ob für ergänzende bilanzierte Diäten zukünftig nicht sowieso strengere Regeln gelten sollten: Dann wären sie nur noch zulässig, wenn ein erhöhter Nährstoffbedarf tatsächlich durch eine diagnostizierte spezifische Krankheit entsteht und mit normalen Lebensmitteln nicht zu decken ist. Diese Auffassung vertreten Behörden wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit schon lange.
Stand: 23. August 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2022 / S.13