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@ YvinneW/ istockphoto.com

COPD behandeln

Gute "alte" Medikamente bewähren sich

Zurzeit kommen so viele neue Inhalationsmedikamente („Sprays“) zur Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung auf den Markt, dass selbst Fachleute den Überblick verlieren. Beruhigend: Die guten alten Vertreter der LABA und LAMA haben keineswegs ausgedient, für einen Wechsel gibt es keinen Grund.

Dieses Mal ist das Motto unserer Rubrik „Gute alte Pille“ etwas großzügig interpretiert. Es geht nicht um einen, sondern um mehrere Wirkstoffe. Und außerdem handelt es sich nicht um Pillen, sondern um Inhalationspräparate.

COPD: Leider meist die Raucherkrankheit

Der erhobene Zeigefinger vorweg: Am besten wäre es natürlich, gar keine COPD  zu bekommen. Fast jeder hat das durchaus in der Hand: Bei der überwiegenden Mehrheit der Betroffenen ist jahrelanges Rauchen der Grund für diese Lungenerkrankung, niederländische Schätzungen kommen auf bis zu 90 Prozent.1

Doch es ist nie zu spät für einen Rauchstopp – und für COPD-Kranke ein Muss, selbst in fortgeschrittenen Stadien. Denn je früher man das schafft, desto geringer die Gefahr, in der zweiten Lebenshälfte COPD zu entwickeln oder daran zu sterben. Eine jahrzehntelange Beobachtungsstudie mit fast 40.000 britischen Ärzten zeigt: Wer mit spätestens 30 konsequent mit dem Qualmen aufhört, erreicht wieder das Sterblichkeitsrisiko eines lebenslangen Nichtrauchers.2

Langsamer Verlauf

COPD entwickelt sich schleichend über viele Jahre. Symp­tome, die Betroffene zum Arztbesuch bewegen, machen sich häufig erst im sechsten Lebensjahrzehnt bemerkbar. Und erst im letzten Krankheitsstadium tritt die Luftnot auch in Ruhe auf und beeinträchtigt dann die Lebensqualität enorm. Doch schon in frühen Stadien sind die Beschwerden unangenehm (siehe Auflistung in blau).

Im Krankheitsverlauf beherrscht Atemnot zunehmend das Krankheitsbild, bis es schließlich zur erwähnten Luftnot in Ruhe kommt, die manchmal fast jede körperliche Aktivität stoppt. Meist müssen Kranke dann ständig eine Sauerstoffflasche mit sich tragen (GPSP 3/2017, S. 22).

Hilfe durch Medikamente?

Die schlechte Nachricht zuerst: Bis heute ist COPD nicht heilbar. Keines der verfügbaren Medikamente kann nachweislich die kontinuierliche Abnahme der Lungenfunktion aufhalten oder gar umkehren. Die medikamentöse Therapie der COPD ist also symptomatisch. Mit anderen Worten: Behandelt werden die Beschwerden. Die erfreuliche Nachricht: Das klappt erst einmal ganz gut!

Die Ziele der medikamentösen Therapie sind, Symptome zu lindern, die körperliche Belastbarkeit zu steigern, den Gesundheitszustand insgesamt und damit die Lebensqualität zu verbessern. Daneben sollen die Medikamente das Voranschreiten der Krankheit zumindest verlangsamen und Komplikationen vorbeugen. Auch kürzere oder längere Episoden mit erheblicher Krankheitsverschlechterung (Exazerbationen) wollen Ärzte so besser in den Griff bekommen. Da Exazerbationen tödlich sein können, kann eine gute COPD-Therapie auch die Lebensdauer verlängern.

Welche Wirkstoffe spielen die Hauptrolle?

Wichtiges Behandlungsziel ist es, die Bronchien zu erweitern, vor allem die der mittleren Atemwege. Das erleichtert die Atmung, weil sich die glatte Muskulatur in diesen Luftwegen entspannt. Um das zu erreichen, gibt es vorwiegend zwei medikamentöse Strategien.

Strategie  1: Anticholinergika blockieren die Wirkung des körpereigenen Acetylcholins (= wesentliches Signalmolekül für die Verengung der Atemwegsmuskulatur). Diese Mittel verdrängen Acetylcholin von seinen „muskarinerg“ genannten Rezeptoren. Weil sie eine lange Wirkungsdauer haben, kann man sich die Abkürzung leicht merken: LAMA (long acting muscarinergic anta­gonists).

Strategie  2: Beta-2-Agonisten ­stimulieren die entsprechenden beta-2-Rezeptoren in den Atemwegen, was zu einer Erschlaffung der Bronchialmuskulatur führt. Das Ergebnis ist das gleiche wie beim Ausbremsen von Acetylcholin, das die Atemwege verengt. Auch beta-2-Agonisten wirken lang und werden daher LABA genannt (long acting beta-adrenergic agonists).

Durch die unterschiedlichen Angriffspunkte ergänzen sich die beiden Wirkstoffgruppen. Ihr Effekt vermindert – alleine oder gemeinsam angewendet – den Atemwegswiderstand und erleichtert so die Atmung.

Das gute alte LAMA: Tiotropium

Bereits bei seiner Einführung 2002 war Tiotropium kein Neuling. Ein altbekanntes pharmakologisches Wirkprinzip steckt dahinter, denn mit Ipratropium hatte es einen direkt verwandten jahrzehntealten Vorgänger. Der allerdings ist nur kurz wirksam, sodass er viele Male täglich inhaliert werden muss, um dieselbe Wirkung zu erzielen.

Beide Substanzen arbeiten nach dem Prinzip „anticholinerge Wirkung“. Sie leiten sich übrigens vom anticholinergen Naturstoff Scopolamin ab, der in Engelstrompeten und anderen Pflanzen vorkommt. Er wird bis heute in der Medizin eingesetzt, z.B. gegen die Reisekrankheit. Als Nebenwirkung führt Scopolamin unter anderem zu Müdigkeit und kann etwa Verdauungsstörungen oder Harnverhalt auslösen. Manchmal steigert es den Augeninnendruck (Glaukom).

Tiotropium hat weniger zentralnervöse Nebenwirkungen, die für anticholinerge Wirkstoffe typisch sind, da es die Blutschranke zum Gehirn viel schlechter überwindet. Mundtrockenheit wird aber durchaus beobachtet, deutlich seltener treten Glaukom, Verdauungsstörungen und Harnverhalt auf.

Und die positiven Effekte von Tiotropium? Das IQWiG, das als wissenschaftliches Institut für den Gemeinsamen Bundesausschuss Kassenleistungen in Deutschland bewertet, kam zu einem durchweg positiven Ergebnis.3 Es fand Belege dafür, dass Patientinnen und Patienten mit COPD unter Tiotropium seltener Exazerbationen erleiden und deshalb seltener ins Krankenhaus müssen. Sogar ihre Lebensqualität verbesserte sich. Auch im Hinblick auf weniger bedrohliche Symptome wie Atembeschwerden und auf das Gelingen von Alltagsaktivitäten sah es vorteilhafte Effekt von Tiotropium.

Das Patent für das in den 1990er Jahren entwickelte Tiotropium ist abgelaufen, sodass es längst Generika gibt. Doch mit generischen Präparaten lässt sich weniger Geld verdienen als mit den sogenannten Innovationen. Darum ist in den letzten Jahren eine ganze Reihe „neuer“ chemischer Verwandter von Tiotropium zur Inhalation auf den Markt gekommen. Sie heißen Glycopyrronium, Aclidinium und Umeclidinium. Kein einziger dieser Wirkstoffe hat in überzeugenden klinischen Studien gegenüber Tiotropium Vorteile gezeigt, von denen Patienten profitieren. Also: Viel Lärm um nichts, und ein weiteres Beispiel für einen guten alten Wirkstoff.

Die guten alten LABA: Formoterol und Salmeterol

Bei den LABA repräsentieren zwei Vertreter eine „gute alte Pille“. Sie wurden fast zeitgleich entwickelt und in den Markt eingeführt: Salmeterol und Formoterol. Beide Wirkstoffe waren die ersten Vertreter der LABA.
Wie bereits zuvor beschrieben, stimulieren sie die beta 2-Rezeptoren der Bronchien, entspannen so deren glatte Muskulatur und mindern den Atemwiderstand. Patienten spüren das deutlich: Sie können leichter ein- und vor allem ausatmen.

Unerwünschte Wirkungen beruhen darauf, dass auch Rezeptoren außerhalb der Lunge – mit anderen Körperfunktionen – aktiviert werden. Das führt eventuell zu Schwitzen, Unruhe und Zittern. Auch der Herzschlag kann beschleunigt sein (Tachykardie). Gefährlich wird das, wenn dadurch das Herz mehr Sauerstoff verbraucht, was zu unangenehmer Brustenge führen kann. Die beschriebenen Nebenwirkungen hängen jedoch von der Dosis ab und sind bei zurückhaltendem Einsatz selten.

Und wie bei den LAMA gilt: Die in den letzten Jahren neu eingeführten und damit patentgeschützten teuren Wirkstoffe Indacaterol, Olodaterol, Vilanterol haben in keiner klinischen Studie im Vergleich mit den beschriebenen guten alten LABA eine Überlegenheit gezeigt, die Patienten und Patientinnen auch tatsächlich verspüren. Daran ändern auch diverse Kombinations-Sprays nichts.

Fazit

Mit dem schon sehr lange verfügbaren LAMA Tiotropium und den beiden ursprünglichen LABA Salmeterol und Formoterol verfügt die Medizin über sehr wirksame Medikamente, um COPD-Geplagten das Leben zu erleichtern. Eine Heilung der Erkrankung ist damit leider nicht möglich – genauso wenig wie mit den zahlreichen, in den letzten Jahren auf den Markt gekommenen neueren Vertretern der beiden Wirkstoffgruppen. Bleibt der wichtige Rat: Tabak­rauchen stark einschränken oder aufgeben.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2018 / S.08