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Herr Doktor

Alles bleibt wie es war – oder doch nicht? Wer krank war, ging früher zum Herrn Doktor. Im Wartezimmer hieß es dann warten, denn der Herr Doktor ist ja immer sehr beschäftigt. Und endlich im Sprechzimmer sitzt hinter einem ausladenden Edelholzschreibtisch ein weißbekittelter Mann: erwartungsvoller Blick, ausgestreckte Hand … ganz der allwissende Herr Doktor.

Und heute?1
Der Frauenarzt entpuppt sich als flotte Gynäkologin in Jeans und lässig geknöpftem weißem Kittel. Und die Patientin sitzt mehr neben als vor dem Schreibtisch.

Der Hautarzt kommt mit Pferdeschwanz und weiblichen Kurven gerade den Flur entlang. Kurzer Gruß, und die Dermatologin verschwindet in dem kleinen OP-Raum am Ende des Gangs. Und im Wartezimmer muss keiner lange warten.

In der Radiologie arbeitet ein ganzes Team von Frauen: beruhigt etwas aufgeregte Patienten, bedient das MRT, wertet die Aufnahmen aus und bespricht den Befund.

Jetzt könnte wir noch die Internistin, Kardiologin, Chirurgin usw. durchspielen. Machen wir aber nicht. Stattdessen kommt nämlich diese Frage und dann der Clou: Wo informieren sich all die Ärztinnen?

Wir haben mal bei Springer Medizin – einem der wichtigsten Herausgeber deutschsprachiger medizinischer Fachzeitschriften – nachgeschaut, also nicht bei Axel Springer, dem mit der BILD.

Also, wo informieren sich Ärztinnen – oder wer informiert sie mehr oder minder gut2,3: Der Gynäkologe (über zwei Drittel der Ärzteschaft weiblich), Der Hautarzt (über die Hälfte weiblich), Der Radiologe (auch schon über ein Drittel weiblich).4 Und es gibt noch Der Internist, Der Nervenarzt, Der Chirurg, Der Unfallchirurg, Der Orthopäde, Der Neurologe und Psychiater, Der Urologe, Der Ophthalmologe, Der Kardiologe …

Bleibt alles anders? Die Zeitschriftentitel stammen aus dem vorigen Jahrhundert, und die gesellschaftliche Realität sieht heute etwas anders aus. Damit diese besser begrifflich abgebildet wird, hat der Journalistinnenbund mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend ein Portal entwickelt,5 wo Hinz und Kunz und Erna und alle Verlage erfahren können, wie sich ein Zeitschriftentitel aktualisieren, besser gesagt geschickt gendern, lässt – ohne die deutsche Sprache zu Fall zu bringen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2019 / S.18