Ansichtssache
Am 22. August titelte die Financial Times Deutschland „Experiment gescheitert. Die AOK Niedersachsen will ihre gesamten Schizophrenie-Patienten in die Obhut einer Pharmafirma geben. Doch die Kranken spielen nicht mit.“ Und was meldet tags darauf die blamierte AOK? „Versorgungsprojekt Schizophrenie: Positive Zwischenbilanz“.
Ja, das ist wohl Ansichtssache, ob 500 Mitmacher viel oder wenig ist, wenn zwei Jahre für das Projekt geworben wurde. Es gibt im Bundesland angeblich 13.000 Schizophrenie-Betroffene. Drum wird man nun „Koordinatoren“ aussenden, die für Zulauf sorgen sollen. Doch so manchem Arzt oder Patienten ist der Vertragspartner der AOK nicht geheuer: Care4S.1 Dahinter steckt der Multi Johnson & Johnson, zu dem die Firma Janssen-Cilag gehört, und die wiederum stellt – kein Scherz – Psychopharmaka für Schizophrene her.
Dass solche Firmentöchter bei der Integrierten Versorgung2 in die Behandlung eingreifen können, haben Rösler und Co. ausgeheckt. Übrigens, just die Financial Times hat Care4S in 2011 für ihr innovatives Konzept mit einem Preis belohnt. Und die AOK meint sicher, sie habe Profil bewiesen, als sie vertraglich festlegte, dass der Absatz von Psychopharmaka aus dem Hause Janssen-Cilag in der Projektphase bis 2017 nicht wachsen dürfe. Wahrscheinlich lässt der sich ohnehin nicht mehr toppen. Alles eben Ansichtssache.
Stand: 1. Oktober 2012 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2012 / S.06