EU-Parlament: Wenn ein kritischer Bericht über Pharma nicht gefällt
Das Gutachten verschwand kurzzeitig aus dem Netz
Die Europäische Union diskutiert seit Jahren über eine bessere Medikamentenversorgung in der Union. Ein Thema dabei ist, wie sinnvolle bezahlbare Innovationen gefördert werden können. Insofern ist es nachvollziehbar, dass der wissenschaftliche Dienst des Parlaments zu genau diesem Thema ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte. Die Ergebnisse besitzen einige Brisanz, weil sie das gegenwärtige System der Forschungsförderung durch Patentschutz in Frage stellen und zahlreiche Alternativen vorschlagen. Das Gutachten wurde in einer öffentlichen Sitzung des Gremiums vorgestellt, dem 27 Abgeordnete angehören. Anschließend wurde – wie üblich – der komplette Text des Gutachtens auf die Website des Parlaments gestellt. Nur war er diesmal nach drei Tagen wieder verschwunden.
Wie genau es dazu kam, steht bislang noch nicht ganz fest. Klar ist aber, dass der europäische Pharmaverband Efpia, dem das Gutachten nicht gefiel, an zwei Abgeordnete eine lange Fragenliste geschickt hat, die diese mit den anderen Mitgliedern des Gremiums diskutieren sollten. Die Abgeordneten bestritten, für den Stopp der Veröffentlichung verantwortlich zu sein. Allerdings stehen sie der Industrie eher nah. Einer von ihnen, pikanterweise gleichzeitig Vorsitzender des Gremiums, war vor seiner Abgeordnetentätigkeit von 2000 bis 2010 Geschäftsführer einer Pharmafirma gewesen. Die Aufregung über das regelwidrige Vorgehen war jedenfalls groß.
Jetzt steht das Gutachten wieder im Netz, ergänzt um die Fragen der beiden Abgeordneten (die offensichtlich von der Efpia inspiriert sind) und Antworten durch die Gutachter:innen.1
Stand: 3. Januar 2024 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2024 / S.03