Zum Inhalt springen
© Jakob Frey-Schaaber

Diabetes-Medikamente: Probleme mit der Galle

Nebenwirkungen von Inkretin-basierten Mitteln neu ausgewertet

Dass bestimmte Medikamente bei Typ-2-Diabetes zu Gallensteinen oder Entzündungen der Gallenblase führen können, ist bekannt. Neue Analysen liefern jetzt weitere Erkenntnisse. Doch einheitliche Warnhinweise fehlen noch.

Wirkstoffe aus der Gruppe der GLP-1-Agonisten wie Liraglutid oder Exenatid können unerwünschte Effekte auf Gallenblase und Gallenwege haben. Diese Medikamente werden hauptsächlich bei Typ-2-Diabetes gespritzt. Sie ahmen die Wirkung eines körpereigenen Botenstoffs nach, der den Blutzuckerspiegel senkt. Einige der Wirkstoffe sind auch bei starkem Übergewicht zugelassen. Für diesen Zweck werden sie meist höher dosiert.

Gallensteine und Entzündungen

Die Nebenwirkungen auf die Galle sind auch biologisch plausibel, weil die Wirkstoffe unter anderem dafür sorgen, dass sich die Gallenblase nicht so stark zusammenzieht und entleert.

Eine aktuelle Analyse hat die vorhandenen Studien systematisch auf diese Risiken hin ausgewertet. Darüber berichten unsere Mutterzeitschriften.1,2 Es zeigte sich, dass bei Menschen, die mit diesen Medikamenten behandelt wurden, Gallenerkrankungen etwas häufiger auftraten: Wenn 10.000 Personen ein Jahr lang GLP-1-Agonisten nutzten, kam es bei etwa 27 mehr von ihnen zu Gallenproblemen als bei Menschen, die in Studien andere Diabetes-Medikamente oder Placebo erhielten. Am häufigsten waren es Gallensteine, gefolgt von Entzündungen der Gallenblase.

Besonders deutlich war der unerwünschte Effekt für die Wirkstoffe Liraglutid und Dulaglutid, bei längerer Behandlung oder höherer Dosierung.

Gallenprobleme auch mit Sitagliptin & Co

Eine weitere Auswertung zur gleichen Fragestellung ist auch für Diabetes-Medikamente aus der Gruppe der DPP-4-Hemmer veröffentlicht worden, zu denen etwa Sitagliptin oder Saxagliptin gehören. Die Wirkstoffe können als Tabletten eingenommen werden und wirken über einen ähnlichen Weg wie die GLP-1-Agonisten. Bei ihnen war es aber laut arznei-telegramm® bislang unklar, ob auch sie ähnliche Nebenwirkungen auf die Galle haben.

Das zeigt jetzt eine Übersichtsarbeit: Mit DPP-4-Hemmern bekamen auf ein Jahr gerechnet etwa 15 von 10.000 mehr Menschen Gallenentzündungen als bei anderen Diabetes-Medikamenten oder Placebo. Gallensteine waren nicht häufiger. Auch hier deutet sich an, dass bei längerer Anwendung das Risiko steigt. Ob die Probleme mit GLP-1-Agonisten wirklich öfter vorkommen als mit DPP-4-Hemmern, lässt sich nicht sicher sagen.3

Was tun?

Nebenwirkungen auf die Galle sind insgesamt eher selten. Unerwünschte Wirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden sind bei beiden Wirkstoffgruppen deutlich häufiger und können jeden fünften Behandelten betreffen.

In den USA enthalten die Beipackzettel von GLP-1-Agonisten jetzt einheitliche Warnhinweise: Wenn Patient:innen Bauchschmerzen, Fieber, gelbliche Verfärbungen von Haut oder Augen und/oder hellen Stuhlgang bemerken, sollen sie darüber zeitnah mit ihrem Arzt, ihrer Ärztin sprechen. In Deutschland sind die Risiken in den Produktinformationen je nach Medikament unterschiedlich beschrieben.

Nutzen oft nicht belegt

Um die Nebenwirkungen einzuordnen: Für viele der Wirkstoffe aus den beiden Gruppen ist nicht belegt, dass sie für Menschen mit Typ-2-Diabetes tatsächlich einen Mehrwert liefern.

Eine Ausnahme bildet dabei der GLP-1-Agonist Liraglutid: Er wird verordnet, wenn die Patient:innen bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben und andere Diabetes-Medikamente nicht ausreichen. Für Liraglutid ist nachgewiesen, dass mit diesem Arzneimittel über einen Zeitraum von knapp vier Jahren 1 bis 2 von 100 Menschen weniger sterben oder einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen.4

 

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2022 / S.21