Tabakatlas Deutschland 2009
„Lese-Pille“ gegen die Sucht
Viele Menschen sind froh, dass heute Nichtraucherflüge die Regel sind und man in Restaurants essen oder arbeiten kann, ohne von Rauchschwaden umgeben zu sein. In den letzten Jahren haben gesetzgeberische Maßnahmen dafür gesorgt, dass die Zahl der Raucher stark abgenommen hat, und sie könnte noch weiter sinken, wenn der Ausstieg leichter gelänge. Doch der Tabakabhängigkeit zu entkommen, ist schwer.
Der „Tabakatlas“ aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum zeigt mit vielen Schautafeln nicht nur, wie Tabaksucht entsteht und welche Organe besonders geschädigt werden. Er zeigt auch, dass der Einzelne seinen Tabakkonsum besser unter Kontrolle bringt, wenn die Macht der weltweit agierenden Tabakkonzerne gebrochen wird. Denn
- sie fördern Rauchen nicht nur mittels Werbung, sondern mit diversen Zusatzstoffen, die für Anfänger den beißenden Qualm mildern,
- sie haben Wissenschaftler dafür bezahlt, die Gefahren des Rauchens kleinzureden, und
- sie treten als Sponsoren von Kunst, Wissenschaft und sozialen Projekten auf, um ihr Image aufzubessern.
Diese und weitere Strategien prangert ein Abkommen an, das die Verbreitung von Tabak kontrollieren soll (FTCT = Framework Convention on Tobacco Control) und bereits von 164 Staaten – darunter Deutschland – ratifiziert worden ist. Auf 25 Seiten stellt der Tabakatlas zentrale Maßnahmen des Abkommens vor, das die Weltgesundheitsorganisation WHO auf den Weg gebracht hat. Die FTCT-Leitlinien fordern von der Politik unter anderem, Zigarettenautomaten ganz zu verbieten und nicht zuzulassen, dass Tabakkonzerne für soziale Zwecke spenden oder dass ihr Markenzeichen auf Nicht-Tabak-Produkten wie Parfum oder Bekleidung prangt.
Auch wer wissen möchte, wie Tabakanbau, Tabakprodukte und Tabakkonzerne das Leben und Sterben in Deutschland beeinflussen, findet in der Broschüre jede Menge Material, das anschaulich und farbig aufbereitet ist. Zum Beispiel: In welchen Bundesländern sterben besonders viele Frauen an Lungenkrebs durch Rauchen? Oder, wo ist die Zahl derjenigen, die durch Rauchen am Herzinfarkt sterben, auffällig hoch? Und nicht zuletzt finden Raucher Hinweise, wo und mit welchen Hilfsmitteln der Ausstieg aus der Tabaksucht am ehesten gelingt.
Für die Broschüre, die alle wichtigen Internetseiten und Quellen nennt, ist die Ärztin Martina Pötschke-Langer und damit die deutsche Tabak(industrie)expertin verantwortlich. Sie leitet am Deutschen Krebsforschungszentrum den Bereich Krebsprävention und das WHO-Kollaborationszentrum Tabakkontrolle.
Dieser Tabakatlas gehört in jedes Wartezimmer und zur frühzeitigen „Immunisierung“ gegen Rauchen in jedes Klassenzimmer – allerdings keineswegs nur in den Biologieunterricht, sondern in die Hände von allen Lehrern. Vorbild zu sein ist wirksame Prävention. Und: Tabakhandel ist ein machtvolles Geschäft.
Stand: 1. Dezember 2009 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2009 / S.11